Die Ausbreitung der Zisterzienser im 12. und 13. Jahrhundert

Die Zisterzienserinnen
Diese Unterlagen wurden erarbeitet von P. Francisco Rafael de Pascual von Viaceli






 

Was die Zisterzienserinnen des 12. und 13. Jahrhunderts betrifft, stehen uns heute mehr Informationen zur Verfügung als früher. Dank zahlreicher moderner Veröffentlichungen wissen wir jetzt über die mittelalterliche Frau besser Bescheid; außerdem haben zahlreiche Spezialisten die Zisterzienserinnen studiert. Die monastischen Veröffentlichungen zu diesem Thema sind inzwischen auch von besserer Qualität, besonders deshalb, weil sie sich zunehmend auf Quellenforschungen stützen können und mehrere Werke von Nonnen und religiösen Frauen aus dem 12. und 13. Jahrhundert veröffentlicht worden sind.

1. Geschichtlicher Hintergrund

            Als erstes muss man sich klarmachen, dass wir unsere heutigen Vorstellungen vom Orden, vom religiösen Leben, von der Inkorporation und selbst von den Nonnen und den Klöstern nicht auf die mittelalterliche Welt übertragen dürfen, geschweige denn die heutigen Strukturen monastischen Lebens auf das Mittelalter: z. B., wenn man sagt, dass ein Nonnenkloster abhängig war von... oder gegründet wurde von... Auch wenn man von einem Frauenkloster spricht, muß man wissen, dass die damalige tatsächliche Lage nicht immer die Strukturen und Organisation der Männerklöster oder der Nonnenklöster spiegelte, wie wir sie heute kennen.

            Im Mönchtum hat es neben den Mönchen immer auch Nonnen gegeben, und das 12. Jh. kann da keine Ausnahme machen. Tatsächlich war der spirituelle Aufbruch unter den Frauen am Ende des 11. und zu Beginn des 12. Jh. viel intensiver als bei den Männern; vielleicht weil sie mehr Unterstützung brauchten, da ihre äusseren Strukturen sehr viel einfacher waren als die der Mönche, und letztendlich, weil der Widerhall, die Dringlichkeit und die Notwendigkeit der gregorianischen Reform auch die Frauenklöster erreichte. Um Missbräuche und Skandale zu beseitigen, haben die gregorianischen Reformer des 11. Jh. und ihre Nachfolger im 12. Jh. die Gesetze für die Nonnen verschärft. Seit dem Zweiten Laterankonzil (1139) ist es für Frauen unmöglich geworden, ausserhalb eines gemeinschaftlichen Rahmens unter einer der drei grossen Regeln des hl. Basilius, des hl. Augustinus oder des hl. Benedikt ein monastisches Leben zu führen.

            Es ist angebracht, hier innezuhalten, um die Lage der Nonnen zu Beginn des 12. Jahrhunderts zu betrachten und die Gründe für ihre ausserordentliche Entfaltung wahrzunehmen.

            Man muss sowohl die Stellung der Frau in der Gesellschaft am Ende des 11. Jh. und zu Beginn des 12. Jh. in Rechnung stellen, als auch die verschiedenen Formen, unter denen sie sich zusammenschlossen und bemühten, Fortschritte im geistlichen Leben zu machen, sei es um des reinen Überlebens willen, sei es, um bis an die Extreme der Mystik oder der Abartigkeit zu gehen - das alles kam vor! Und hiervon muss man ausgehen, wenn man die bekannte Abneigung der Zisterzienser, Frauenklöster dem Orden zu inkorporieren, verstehen will: eine Abneigung, die vor allem Klugheit und Unterscheidungsvermögen beweist angesichts der Folgen einer Eingliederung von Kommunitäten in den Orden, die in ihrer Lebensart sehr unterschiedlich waren und die durch eine solche Inkorporation sehr häufig - und gutwillig - sowohl ihr Überleben sichern als auch aus der Exemption, deren sich die Mönche erfreuten, Nutzen ziehen wollten.

            Es ist anzumerken, dass seit der Mitte des 11. Jh. bis zum Aufkommen der Bettelorden ein besonderes wirtschaftliches und gesellschaftliches Problem zu lösen war: Die über viele Jahre andauernden Kreuzzüge und anderen Konflikte zwischen den Regionen hatten die Frauen ihrer Gatten und Söhne beraubt, ihrer Verlobten und sogar der Möglichkeit, sich zu verheiraten, das heisst, ihrer natürlichen Unterstützung und Unterhaltsmöglichkeiten. Man bemühte sich, durch Vermehrung der Frauenklöster dieser Lage abzuhelfen. Und da die Gründer, Adlige und Bischöfe, Obere oder regulierte Kanoniker, die Schwierigkeiten nicht vervielfachen wollten, wachten sie entsprechend den kirchlichen Richtlinien über den guten Fortschritt der Gemeinschaften und setzten gewöhnlich energische Persönlichkeiten an deren Spitze.

            Es gab also verschiedene Arten von Gemeinschaften, die sehr unterschiedliche Lebensformen hatten und nicht ohne weiteres dem entsprachen, was wir heute „Kloster“ nennen:

Klöster in der Nachbarschaft von Männerklöstern, zu denen verschiedene Arten von Beziehungen bestanden, je nach dem örtlichem Brauch und dem Taktgefühl der Äbte.

Doppelklöster, in denen auf die eine oder andere Weise Mönche und Nonnen, Laien und Assoziierte teil hatten an der Kirche und an einer organisierten Lebensweise, die von einem Abt oder einer Äbtissin geleitet wurde, gewöhnlich von einer einflussreichen und organisatorisch begabten Persönlichkeit.

Mehrfachklöster, in denen, in getrennten Gebäuden und unterschiedlicher Organisation, Mönche und Nonnen, Witwen, religiöse Frauen (mulieres religiosae) und fromme Männer (conversi), die ein geistliches Leben und gegenseitige Unterstützung suchten, zusammenleben konnten. Das berühmteste Kloster dieser Art ist zweifellos Fontevrault.

Frauenklöster, die ausdrücklich als solche von einer bedeutenden Familie gegründet und durch ein Mitglied der gleichen Familie geleitet wurden; in diesen Klöstern gab es Dienstpersonal beiderlei Geschlechts und fromme Männer, die dem Kloster halfen.

Zuletzt Klöster, in denen ausschliesslich Frauen lebten, die gewöhnlich einer Regel folgten und einem Abt oder Prior unterstanden, was die Jurisdiktion und Disziplin anging. Manchmal standen diese Klöster im Dienste der Männergemeinschaft, um deren Lebensunterhalt zu sichern.

            In der Karolinger- und Merowingerzeit entstanden zahlreiche Gemeinschaften in einer von diesen Formen. Über das konkrete Leben, das dort geführt wurde, haben wir wenig Angaben; im Allgemeinen wurde das Gebetsleben durch die Rezitation des göttlichen Offiziums und das persönliche Gebet genährt; das Gemeinschaftsleben hing von der Organisation des Hauses ab; die Klausur war nicht überall streng und wurde auch nicht in einheitlicher Weise angewandt. Und selbst wenn manchmal die eine oder andere bedeutende Persönlichkeit hervorstach, versuchte die Mehrheit doch ein wirklich frommes und asketisches Leben zu führen; weil aber das ursprüngliche Motiv für die Berufungen, den Umständen entsprechend, sehr unterschiedlich war, so folgte daraus sehr oft ein religiöses Leben, das nur schwer zu kontrollieren war, individualistisch und allen Arten von Übertreibungen unterworfen. Yvo von Chartres, der heilige Bernhard und andere haben sich um die Disziplin dieser Gemeinschaften gekümmert. Aus diesem Grund hat das Zweite Laterankonzil, wie oben angeführt wurde, Stellung beziehen müssen. So sah sich auch Alexander III genötigt einzugreifen; Idung von Sankt Emmeran hat das Argumentum de quattuor questionibus veröffentlicht: eine dieser Fragen betraf den Streitpunkt, ob Mönche und Nonnen, die nach der Regel des heiligen Benedikt leben, die gleichen Klausurvorschriften haben sollten...; die anderen Fragen handelten von der Predigt der Mönche und von der Möglichkeit, gleichzeitig Mönch und Kleriker zu sein...; die letzte Frage von den Lebensverhältnissen der Laien.

            Das 12. Jahrhundert ist das goldene Zeitalter des zurückgezogenen Lebens in Enthaltsamkeit („Reklusen“), und zahlreiche Autoren haben ihm ihre Ermahnungen, Abhandlungen und Empfehlungen zukommen lassen: Goscelin von Saint Bertin, Liber confortatorius; Aelred von Rievaulx, Das Leben der Rekluse, etc.

            Im allgemeinen kann man sagen, dass die blühendsten weiblichen Kommunitäten jene waren, die unter dem Schutz von reformierten Männerklöstern standen. Und diese gehörten zu der einen oder anderen Reform, seien sie nun von traditioneller Art oder von einem noch stärker auf Erneuerung bedachten Stil.

           

Was ihre Tätigkeiten betrifft, so ahmten die Nonnen die Mönche nach. Gewiss war die Feldarbeit nicht sehr üblich, aber wir besitzen Zeugnisse über den Mut einiger Nonnen in dieser Hinsicht. Im allgemeinen widmeten sich die Nonnen den typisch weiblichen Aufgaben dieser Zeit; zahlreiche Klöster beschäftigten sich mit dem Abschreiben von Handschriften und allem, was die Herstellung der Chorbücher und der Bücher für die Lesung betraf. Manche dieser Klöster zeichneten sich übrigens durch ihr Scriptorium aus. Aber die häufigste Tätigkeit der Nonnen des 12. Jh. war die Mädchenerziehung. Es handelte sich um eine vollkommen natürliche Angelegenheit. Seit dem frühen Mittelalter bis zum 12. Jh. vollzog sich die Erziehung junger Mädchen gewöhnlich nicht in ihren Familien, und die öffentlichen Schulen waren mit der Völkerwanderung verschwunden. Die Kirche, die Klöster besaßen faktisch ein Unterrichtsmonopol. In diesen Schulen wurden die zukünftigen Novizen mit echter oder vorausgesetzter Berufung herangebildet, und man muss sagen, dass diese Formung sehr sorgfältig war, unter der Verantwortung wirklich fähiger und ausgebildeter Nonnen.

            Es ist hier nicht angebracht, zur Veranschaulichung Beispiele von diesen zahlreichen Klöstern anzuführen; alle zitierten Autoren tun das zur Genüge und beweisen damit nicht nur die vorhandene Mannigfaltigkeit, sondern auch das inständige Verlangen, ein reformiertes Leben zu führen.

            Ein spanischer Autor, Pater Garcia M. Colombas, legt den Fall des Klosters Marcigny dar und nimmt zu diesem Anlass die Lobpreisungen von Petrus Venerabilis auf (De miraculis, 1, 22, S. 874.) Die Entwicklung dieses Klosters ist zahlreichen anderen vergleichbar: am Ende des 12. Jh. war die Vitalität, die in der Mitte des vorausgehenden Jahrhunderts herrschte, verschwunden, die Berufungen waren weniger zahlreich; der von den Mönchen auf die Frauenklöster ausgeübte Einfluss war weniger bedeutsam, und diese begannen, die gesellschaftlichen Auswirkungen der neuen Zeiten zu spüren. Zu Beginn des 13. Jh. erreichte das mittelalterliche Mönchtum den Höhepunkt seiner Ausbreitung, seines gesellschaftlichen Einflusses und der Emanzipation der Laien. Die Ideen, die am meisten die neuen spirituellen Strömungen beeinflusst haben, kamen von den Franziskanern und Dominikanern; ihre Botschaft stellt eine neue, viel anziehendere und verständlichere Gesinnung vor. Man ließ nun das Schema der „drei Stände“ fallen, weil man nicht mehr glaubte, dass der Heldenmut einiger Vollkommener fähig sei, die Sünde der Welt auf sich zu nehmen. Alle Menschen, nicht nur die Beter, seien aufgerufen, zu beten und ein Leben im Einklang mit dem Gesetz Gottes und der Kirche zu führen. Jeder müsse an seinem eigenen Heil arbeiten: dieses liess sich nicht in den Klöstern kaufen, noch konnte man es mittels Reliquien oder aufgrund anderer Arten von spirituellen Praktiken erlangen. Folglich fingen die Mönche an, überflüssig zu werden. Wer also Mönch oder Nonne werden wollte, konnte nicht mehr auf die zuvor bestehenden Erleichterungen zählen.

            Die ersten Zisterzienser suchten die Einfachheit und haben alles vereinfacht; sie arbeiteten nicht um sich zu bereichern, sondern um zu bestehen. Ihr Ideal war die Geradheit der Regel (rectitudo regulae), aber die bewunderungswürdige Begeisterung der ersten Generationen ließ am Ende des 13. Jh. allmählich nach, da sie in die Falle des Reichtums und der Güterverwaltung geraten waren: sie profitierten zunehmend von einer auf Gewinn beruhenden Wirtschaft und taten sich immer schwerer damit, einfache Menschen aufzunehmen. Mehr und mehr zeichnete sich eine Trennung zwischen einer kleinen Zahl sehr reicher und einer Menge armer Menschen ab.

            In den Klöstern der Nonnen herrschte zwar die gleiche Tendenz, aber mit bemerkenswerten Ausnahmen; es ist wahr, dass es in zahlreichen Fällen den Frauenklöstern, die viel einfacher waren als die Männerklöster, gelang, die zisterziensische Spiritualität und die Mystik am gebührenden Platz zu halten, wie wir noch sehen werden.

2. Die Nonnen im Kielwasser der Männerklöster

            Alle in der Bibliographie aufgeführten Autoren und andere stimmen in einer grundlegenden Tatsache überein: die Inkorporation der Nonnen in den Zisterzienserorden ist eine nebulöse geschichtliche Angelegenheit. Sie wurde nicht nach einem einheitlichen Modus verwirklicht, der den Organisationsformen des Zisterzienserordens entsprochen hätte, und sie vollzog sich zuletzt in einer so massiven und intensiven Weise, dass sich die Männerklöster in einigen Fällen überschwemmt sahen. Das überraschte Generalkapitel und zahlreiche Äbte haben guten Glaubens, nach bestem Willen und den Umständen entsprechend gehandelt.

            Für die Inkorporation mußten folgende Bedingungen erfüllt sein: dass die Frauengemeinschaften die Klausur beobachteten, einen Pater Immediat hatten und von ihren Einkünften leben konnten. Das Brauchtum von Cîteaux wurde für die Frauen angepaßt, und man bemühte sich, ihnen einen Rektor zu geben zur Unterweisung und um die Liturgie zu gewährleisten, für die Feier der Eucharistie und zur spirituellen Unterstützung. Das hatte zahlreiche Probleme für die Männerklöster zur Folge, die dadurch ihrer älteren Mönche und Priester beraubt wurden, wie es z.B bei Villers der Fall war, jene für ihre disziplinierte Lebensweise und bedeutenden Persönlichkeiten berühmte Abtei.

            Eine Tatsache, die in den Generalkapiteln der Mönche - und in der Folge auch bei den Historikern - eine gewisse Verwirrung ausgelöst hat, besteht darin, dass zahlreiche Frauenklöster spontan, ohne formelle Zustimmung des Ordens, die Gebräuche von Cîteaux angenommen haben und sich selbst Zisterzienserinnen nannten.

            Die Zisterzienser konnten aus den Beziehungen zu Frauenklöstern, die zur Gewohnheit geworden waren, nicht ohne weiteres aussteigen, und die Nonnen übten starken Druck aus. Es gibt einen anderen wichtigen Grund, der eher praktischer Art ist, den man aber bisher wenig betont hat: nur die grossen Abteien konnten sich den Luxus leisten, sich um die materielle und spirituelle Organisation der Nonnen zu kümmern, wenn sie die monastische Disziplin aufrechterhalten und die Vorschriften der Reform erfüllen wollten. Ein Frauenkloster war teuer; es erforderte bedeutende finanzielle Zuschüsse, und die dort lebenden Nonnen mußten von einem guten Geist geleitet sein. Zu Beginn des 12. Jh. konnten sich nur wenige Zisterzienserklöster diesen Luxus erlauben.

            Die drei bekanntesten und von den Historikern am besten erforschten Gründungen sind Jully, Tart und Las Huelgas. Sie vertreten - und das ist für unsere Studie auch interessant - drei verschiedene Weisen, mit den Nonnen umzugehen, sowie drei bestimmte Zeitpunkte in der Geschichte der Inkorporation von Frauen in den Männerorden.

            Jully ist eine zu Molesme gehörende Gründung. Eine Gruppe von Frauen lebte in der Umgebung der Abtei; 1114 sammelte der Nachfolger des hl. Robert sie auf dem Schloß von Jully. 1118 wurde die Approbation durch den Bischof von Langres und 1145 durch den Zisterzienserpapst Eugen III. gewährt. Es scheint, dass zunächst der hl. Bernhard und seine Sippe aus familiären Gründen und später auch einige andere Zisterzienseräbte zum Unterhalt und zur Organisation dieser Abtei beigesteuert und ihr spirituellen Beistand geleistet haben.

            So wünschten einige Ordensfrauen dieses Klosters schon 1120 ein neues Wagnis: die gesamte Zisterzienserobservanz vollständig zu übernehmen. Cîteaux und Clairvaux hatten zwar gute Beziehungen zu ihnen, waren aber dieser Idee nicht sehr zugetan. Die Schwägerin und die Schwester Bernhards waren in Jully eingetreten und nicht in Tart, und es scheint, dass kein einziges Dokument von Tart den hl. Bernhard erwähnt. Sicher ist, dass es Für und Wider gab und einen Austausch von Nonnen zwischen den beiden Klöstern. Vor 1170 zählte Jully schon neun Priorate. Seine Organisation war der cluniazensischen vergleichbar.

            Die Abtei Molesme hatte bei den Nonnen die volle Jurisdiktion in spiritueller und zeitlicher Hinsicht. Sie war es, die den Postulantinnen den Habit zu nehmen erlaubte und die Novizinnen zur Profess zuliess. Um diese Macht an Ort und Stelle auszuüben, hatte man in jedes Frauenkloster einen Prior entsandt; er war gleichzeitig Vorsteher einer kleinen Mönchsgemeinschaft, die sich um die Verwaltung der Güter der Nonnen kümmerte und die Seelsorge innehatte. Jeder Prior repräsentierte sein Frauenkloster auf dem berühmten Generalkapitel von Molesme. Diese Art von Beziehung und Verwaltung fand sich fast überall.

            Tart wurde ungefähr 1125 unter der direkten Verantwortung des Abtes von Cîteaux, Stephan Harding, gegründet. Gegen Ende des 12. Jh. wurde dieses Haus dem Orden eingegliedert „als eine echte Tochter von Cîteaux“. In der Folge traf sich der Abt von Cîteaux jedes Jahr am Fest des heiligen Michael mit den Äbtissinnen von Tart und dessen Tochterhäusern zu einem Kapitel. Aber das alles blieb inoffiziell, und das Generalkapitel der Mönche mischte sich in keiner Weise in das Leben der Nonnen ein.

            Las Huelgas ist eine zisterziensische Gründung, aber mit einem langen und konfliktreichen Prozess der Inkorporation in den Orden. Dieser Vorgang hat wirklich die Denkweise des Generalkapitels von Cîteaux verändert, und zwar so, dass dieses nicht nur ein einziges Kloster in den Orden aufgenommen hat, sondern auch alle, die von ihm abhingen.

            Guido, der Abt von Cîteaux, hielt sich 1199 in Spanien auf; König Alphons VIII. von Kastilien und Léon und seine Gattin Aliénor von England nutzten die Gelegenheit, um zu erreichen, was sie seit vielen Jahren begehrten und was ihnen so viele Sorgen bereitet hatte: ein neues Cîteaux in Spanien, wenn auch weiblich und spanisch. Es galt nur, der Schwierigkeit zuvorzukommen, dass Cîteaux über die Nonnen ausserhalb seiner Jurisdiktion keine Autorität ausüben konnte; es gab also nichts besseres, als das Kloster Las Huelgas Cîteaux zu unterstellen. Der Abt vermochte es nicht, sich den Wünschen des Königs zu entziehen.

            Es kann sehr nützlich sein, aufmerksam die verschiedenen Kapitel dieser Geschichte zu betrachten, in denen Aspekte der Politik, des Altersranges der Klöster, der Observanzen und der Diplomatie in das Generalkapitel von Cîteaux hineinspielen. Anlässlich der Angliederung der Zisterzienserkongregation vom heiligen Bernhard in Spanien an den OSCO vor einigen Jahren konnte man feststellen, dass die Dinge heute wie damals gleich sind: Probleme der Jurisdiktion, der geistlichen Hilfe für die Nonnen und die Schwierigkeit, die Klöster insgesamt auf dem Generalkapitel zu inkorporieren, obgleich Klöster wie Las Huelgas, Cañas oder Gradefes das Zisterzienserleben schon mehr als acht Jahrhunderte ohne Unterbrechung geführt haben...

            Die ausführliche Geschichte dieser drei Klöster zeigt also nicht nur die Realität einer vorgegebenen Situation, sondern auch die Art und Weise, wie die Klöster entstanden, die Sympathien und Antipathien, die manche Klöster weckten, die Initiativen der Äbte und den Einsatz der Nonnen, am Zisterzienserideal festzuhalten. Das Generalkapitel mußte reagieren, um zu vermeiden, sich von diesem Phänomen überrumpeln zu lassen, denn obwohl es in der monastischen Tradition üblich war, barg es die Gefahr, den Orden mehr oder weniger zu überschwemmen und am Leben und der Disziplin der Männergemeinschaften zu zehren.

            So musste sich das Generalkapitel 1147 dem Problem der Inkorporation der Kongregationen von Obazine und Savigny stellen. Das Kloster Obazine war praktisch, zusammen mit den benachbarten Nonnen von Coyroux, ein Doppelkloster; zudem besassen sie das Frauenkloster Fountmourlhes. Zur Kongregation von Savigny gehörten auch drei Frauenklöster. Das weckte jedoch keinen Widerstand; diese Frauenklöster würden in der gleichen Situation bleiben, betreut von den gleichen Äbten und Mönchen, obgleich sie Zisterzienserinnen geworden waren. Wie mehrere Forscher durch das sorgfältige Studium lokaler Archive in der letzten Zeit erwiesen haben, waren die Beziehungen der Äbte und der Abteien der Zisterzienser zu den Klöstern der Nonnen und anderer Gruppen von mulieres religiosae viel zahlreicher als bisher angenommen.

            Das also wäre die Zusammenfassung der Lage. Manchen wird sie vielleicht nicht allzu ausführlich erscheinen, aber das vorliegende Arbeitspapier läßt nicht zu, weiter darauf einzugehen.

            Bis vor kurzem stammte das, was man über Ursprung und Gründung dieser Klöster weiss, von A. Manrique und C. Henriquez. Obwohl beide die Zisterzienserinnen ausgiebig studiert haben, so haben sie es doch hauptsächlich unter hagiographischen Gesichtspunkten getan. Außerdem konnten sie sich nicht auf eine hinreichende geschichtliche Dokumentation stützen, was sehr häufig zu Vorurteilen und falschen Informationen über den Ursprung der Nonnen in unserem Orden beigetragen hat, anstatt ihn zu erhellen.

            Wie schon gesagt, war die Ausbreitung und Entwicklung der weiblichen Gemeinschaften in ganz Europa zu dieser Zeit beachtlich. Es würde zu lang, die Liste der Klöster aufzuführen, selbst wenn man nur die wichtigsten nennen wollte. Sagen wir einfach, dass sich in allen Ländern Europas, mit einigen wenigen Abweichungen, überall das gleiche Phänomen mit der gleichen Problematik zeigte. 

3. Das spirituelle Leben der Zisterzienserinnen:

            Obgleich man immer wieder auf die gleiche Schwierigkeit trifft, dass es an schriftlichen Zeugnissen mangelt, kann man doch, von den auf uns gekommenen Quellen und Schriften ausgehend, sagen, dass die Nonnen im allgemeinen von Anfang an ein eifriges Leben führten. Zunächst deshalb, weil der Boden bereitet war; d.h. wegen der Gemeinschaften der Beginen und mulieres religiosae und den zahlreichen, von der kirchlichen Hierarchie unternommenen Massnahmen zur Kontrolle und Regelung dieser Zentren. Es war eine höchst heilsame Lebensform eingerichtet worden, und Ziel der verschiedenen Gemeinschaften war stets, auch wenn es unvermeidlich Ausnahmefälle gab, die reine Hingabe an Gott und ein beständiger Fortschritt im spirituellen Leben.

            Die Observanzen der Nonnen waren in den verschiedenen Gebieten nicht gleich, obwohl es eine grosse Einheitlichkeit gab: Liturgie, Handarbeit, geistliche Lesung, eucharistische Anbetung, Leben der Busse; im Norden Europas pflegte man mehr das spirituelle Leben; jene Klöster, die Mädchenschulen und Scriptoria hatten oder in der Nachbarschaft von Mönchen, geistlichen Männern, Predigern und Beichtvätern lebten, erfreuten sich einer viel grösseren Kultur, und es ist nicht schwierig, dort Frauen von grosser menschlicher und spiritueller Reife zu finden. Obgleich es sicher auch erzwungene Berufungen gab, bescheinigt Jakobus von Vitry deutlich, dass viele Nonnen, selbst jene, die auf väterlichen Beschluss hin ins Kloster eingetreten waren, den Anruf Gottes vernommen haben und Christus freudig und von ganzem Herzen nachfolgten.

            Einige Klöster waren ein wenig angepasst und daher ein wenig bequem, andere aber waren echte „Wüsten“. Man muss anerkennen, dass eine grosse Frömmigkeit herrschte und das Leben sich in einer zisterziensischen Atmosphäre abspielte. In Deutschland aber und vor allem in Belgien, wo die zisterziensische Frauenmystik aufkam und sich mit einer viel grösseren Kraft entwickelte, war sie vermischt mit einer mehr oder weniger bewussten Vorliebe für aussergewöhnliche Erscheinungen, mit einem Geschmack am Wunderbaren und einer Bewunderung für die übernatürlichen Charismen, die zweifellos nicht zum Erbe des hl. Benedikt und hl. Bernhard gehörte und eine falsche Vorstellung von der wirklichen zisterziensischen Heiligkeit geben konnte, eine Frage, vor der die Männerklöster eine gewisse Abneigung, ein wenig Furcht und manchmal auch einen gewissen Minderwertigkeitskomplex hegten.

4. Ihre Observanzen:

            Von einer Gleichförmigkeit der Observanzen kann man bei den Nonnen nicht sprechen; auf diesem Gebiet unterschieden sie sich von den Mönchen, die in der Carta Caritatis einen sehr wichtigen Bezugspunkt für die Gleichförmigkeit der Observanzen fanden. Es ist sicher, dass die Nonnen die Regel als die Grundlage ihres monastischen Lebens ansahen, aber man muss der grossen Zahl von Varianten in ihrer Lebensform Rechnung tragen, seien sie nun bedingt durch die Herkunft, den rechtmässigen Oberen, das Klima oder die Armut des jeweiligen Hauses. Wir erwähnen hier einige übliche Elemente des gemeinsamen Lebens unter den wesentlichen Punkten der Regel: Gebet, Arbeit, Lectio divina.

Gebet, Offizium:

            Zu diesem Thema besitzen wir ein Dokument aus erster Hand, den Gesandten der göttlichen Liebe der hl. Gertrud, Ordensfrau von Helfta, einem Kloster in Sachsen, das die Gebräuche der Zisterzienser befolgte, ohne offiziell dem Orden inkorporiert zu sein. Gertrud hat, wie alle Nonnen ihrer Zeit, die Liturgie gelebt - und sozusagen jeden Abschnitt des Gesandten.

Arbeit:

            Die reich dotierten Klöster müssen wir gesondert betrachten. Das sind Stiftungen von Königen und Adligen wie Las Huelgas in Spanien, Notre Dame la Royale de Maubuisson und Le Lys in Frankreich. Blanca von Kastilien, die Mutter des hl. Ludwig, hat bei der Gründung von Maubuisson nichts unterlassen, um aus Notre Dame la Royale die reichste und vornehmste der Abteien zu machen. Die Abtei Bouchet, eine fürstliche Gründung in der Provence, war viel bescheidener, aber dennoch reich. Der prächtige Schlafsaal der Damen mass 40 x 11m. Die Abteikirche, die in Wirklichkeit als Pfarrkirche diente, war 30m lang. Ein Frauenkonvent in Velay hatte eine Kirche von 32 x 16m. Jede Zelle der Nonnen hatte ein Fenster, das sich auf die dem Kloster anliegenden Grundstücke hin öffnen liess; diese waren von Mauern umschlossen. Die Zellen waren durch Mauern getrennt, die eine Dicke von zwei Fuss hatten. Im Süden des Klostervierecks erstreckte sich ein grosser Garten von 22 x 17m, und das Kloster war von dicken Mauern umgeben, mit einem Befestigungsturm an jeder Seite.

            Es gab eine grosse Vielfalt an Lebensweisen in den verschiedenen Frauenklöstern, aber sicher ist, dass in den meisten Fällen die Anfänge wirklich arm waren. Die Nonnen selbst mussten die Erde bebauen, um sich zu ernähren. Die Lebensform der Benediktinerinnen von Yerres in der Diözese Sens beispielsweise war um 1130 durch den Bischof von Paris und den Zisterzienserabt Hugo von Pontigny kodifiziert worden; die Schwestern gingen in kleinen Gruppen zur Arbeit, auch ausserhalb der Klausurgrenzen. Man hatte am Charakter der strengen Klausur festgehalten, wie er seit den Anfängen und bis zum Beginn des XIII. Jh. war. Eine Anordnung der Äbtissin genügte, um den Nonnen ein Verlassen der Klausur zur Arbeit in den Feldern und Wäldern ausserhalb zu erlauben. In seiner Bulle Prudentibus virginibus vom Dezember 1184 untersagte Papst Lucianus III. den Nonnen von Tart den Ausgang ohne Erlaubnis der Äbtissin, sobald sie ihre Profess abgelegt hatten.

            Diese wenigen Beispiele können eine kleine Idee vom materiellen Leben der Nonnen geben. Im XII. Jh. mussten in allen Klöstern die Nonnen wie die Mönche von der Arbeit ihrer Hände leben. Die uns überkommenen Dokumente zeigen, dass diese Arbeit, der Regel entsprechend, verschieden war, je nach den Ortsverhältnissen und der Kraft einer jeden, und manchmal war es notwendig, die Mauern der Klausur zu verlassen.

           

In der Vita der Ida von Nivelles erfahren wir, dass sie eine Offenbarung hatte, während sich die Nonnen von Rameya in Brabant nach der Ernte in den Feldern ausruhten. An einem anderen Tag war sie mit ihrer Äbtissin an einem Ort, an dem sich mehrere mulieres religiosae versammelt hatten. Bei einer anderen Gelegenheit, zur Erntezeit, waren einige Schwestern von Rameya mit ihrer Priorin in Kerkhom, dem ursprünglichen Sitz von Rameya, um die Ernte einzuholen. Ida befand sich unter ihnen und hat sich mehr als acht Tage in dieser Scheune aufgehalten. In der Vita der Ida von Léau aus dem gleichen Kloster lesen wir, dass Ida zur Erntezeit allein im Kloster blieb, während die Gemeinschaft zur Ernte auf die Felder ging. Natürlich hätten die Felder sich auch innerhalb der Klausur befinden können, aber im XII. Jh. war die Bedeutung des Begriffs Klausur noch sehr weit. Die Besitztümer der Nonnen der Abtei Vernaison, gegründet 1167, erstreckten sich entlang beider Ufer der Isère. Sie konnten dorthin gelangen, entweder auf dem Weg (via magna) von der Provence nach Lyon, der mit einer Brücke den Fluss überquerte, oder mit einem Boot. Nach den Überschwemmungen von 1221 haben die Nonnen ein neues Kloster erbaut, das höher gelegen war.

            Die Klausur wurde im XIII. Jh. viel strenger, und es war üblich, Laienbrüder aufzunehmen, die  den Frauenklöstern angehörten, um die körperlichen Arbeiten zu verrichten. Diese Laienbrüder traten unmittelbar in den Dienst der Frauen und legten ihre Profess in die Hände der Äbtissin ab. Das Thema der Zisterzienser-Laien, die zu Abteien der Nonnen gehörten, ist gut dokumentiert. Mit Hilfe von Lohnarbeitern unterhielten sie die weiter von der Abtei entfernt liegenden Ländereien.

            Einige Frauenklöster haben wichtige Arbeiten ausgeführt: die Nonnen von Mollèges haben dazu beigetragen, die Sümpfe trockenzulegen und Fischteiche anzulegen, und die von Saint-Pons-de-Gemenos schafften sich Viehherden an. Die meisten besassen Schafe und Rinder. Es wird ein Konversbruder von Bouchet erwähnt, der mit dem Mähen beauftragt war. Das war auch eine Einnahmequelle, und hier ist noch das Recht von Mollèges hinzuzufügen, für die Strasse durch die Alpentäler Gebühren zu erheben.

            Als aber die Klausur noch strikter wurde, haben sich die Nonnen mehr auf die Innenarbeiten konzentriert. Die Zisterzienserinnen hatten keine Schulen wie die Benediktinerinnen, wenigstens betrachtete man es nicht als eine Schultätigkeit, wenn junge Mädchen zur Erziehung ins Kloster aufgenommen wurden. Gertrud wurde mit vier Jahren in Helfta aufgenommen und Mechthild von Hackeborn mit sieben Jahren. Diese Mädchen lernten in den Werkstätten der Abtei den Umgang mit der Wolle, der Spindel, die weiblichen Arbeiten, die Kunst des Webens, das Nähen und Sticken, oder die Technik, Gold und Perlen auf Seidenstoffen anzubringen. Das war eine wertvolle Einnahmequelle für die Gemeinschaft; man fand es auch mehr im Einklang mit den Talenten und physischen Kräften der Frauen und weniger hart als die Arbeit auf den Feldern, besonders für die betagten und kranken Schwestern. Die Arbeit war zugleich auch Gebet und Hinführung oder Vorbereitung auf das göttliche Offizium. Gertrud war eifrig mit Spinnen beschäftigt, als ihr einige Fäden zu Boden fielen. Da sie sich während der Arbeit innig Gott anvertraut hatte, sah sie, wie der Dämon die Reste der Fäden auflas als Beweis ihrer Nachlässigkeit. Sie rief den Herrn an und sah, wie dieser den Dämon vertrieb, indem er ihn zurechtwies, weil er sich in ein Tun eingemischt hatte, das ausschliesslich und ganz Ihm geweiht war.

            Es gab im Zisterzienserorden wirkliche Zentren der Mystik. In ihrer Zisterzienserhagiographie der Diözese Liège schreibt Simone Roisin: „Wenn die Nonnen hierin ebenfalls die Mönche überragten, so mehr durch die Häufigkeit als durch die Erhabenheit ihrer Verzückungen. Sie lebten fast ununterbrochen in Ekstasen, aus denen sie immer tiefere Erkenntnisse der göttlichen Mysterien zogen, besonders der Heiligsten Dreifaltigkeit.“ Henriquez erzählt in Quinque prudentes Virgines (Antwerpen, 1630) das Leben von Beatrix von Nazareth, Aleydis von Schaerbeek, Ida von Nivelles, Ida von Löwen und Ida von Léau. Aber es gab noch viele andere. Der gleiche Henriquez hat Lilia Cistercii, die Anfänge, das Leben und die Taten von heiligen Jungfrauen von Cîteaux, Douai 1633, veröffentlicht. Es wäre falsch zu denken, dass alle Nonnen Heilige waren. Wie überall, so gab es auch törichte unter den klugen Jungfrauen.

            Obgleich eine Liste von Schriftstellern unsres Ordens mehr Namen von Männern als von Frauen enthalten würde, waren viele Nonnen mit der Abschrift von Handschriften beschäftigt. Beatrix von Nazareth hat eine Autobiographie geschrieben, die der Zisterziensermönch Wilhelm von Afflighem benutzte, um ihre Lebensgeschichte zu verfassen. Er fügte ihren Schriften lange Erklärungen bei, zusammen mit einem Bericht über ihre Visionen. Es ist eine sehr mystische Sammlung aus kurzen Abhandlungen; die bedeutendste heisst: Seven manieren van minne (Sieben Weisen der Liebe).

            Über die heilige Gertrud schrieb Jean Doyère: „Die intellektuelle Tätigkeit der hl. Gertrud war sehr umfassend. Sie hat nicht nur als Abschreiberin von Handschriften gearbeitet, sie liebte es auch, aus ihrer umfangreichen Lektüre die besten Passagen abzuschreiben, eine Auswahl an Zitaten und schönen Gebeten aufzubewahren, um ihre eigene Frömmigkeit und die der anderen zu nähren... In gleicher Weise hat sie spirituelle und theologische Abhandlungen über die Heilige Schrift in Deutsch und Latein zusammengestellt und geschrieben. All das ist verlorengegangen. Aber man hat ihre Schriften der Frömmigkeit aufbewahrt, die Geistlichen Übungen.

            Diesen Kommentar könnte man auch auf andere Nonnen anwenden. Es sind so viele Klöster verwüstet, geplündert, angezündet und mit ihren Archiven zerstört worden, dass wir sie niemals kennen werden. Im Stil der romanhaften Geschichten, die im XIII. Jahrhundert gewuchert haben, sagte der Rechtsanwalt Philippe de Novare: „Einer Frau sollte man nicht Lesen und Schreiben beibringen, es sei denn sie ist eine Nonne“. Dieser Rat wurde später wieder aufgenommen. Folglich müssen wir daraus schliessen, dass zahlreiche Nonnen gebildet waren. Papst Johannes XXII. hat der Bitte der Äbtissin von Saint-Pons-de-Gemenos stattgegeben, dass man im Kloster eine gewisse Graciette Audoarde aufnehmen dürfe, die sie als einen „Brunnen des Wissens“ beschrieb. In der Folge hat man die Unterscheidung zwischen „gebildet“ und „ungebildet“ betont: die letzteren waren die Laienschwestern, die oft wie Dienerinnen angesehen und behandelt wurden. Das barg die Tendenz, die Gemeinschaften in zwei Gruppen aufzuteilen, und in einigen Abteien des Adelsstandes führte es dazu, zwei soziale Klassen zu schaffen: die Töchter der Vornehmen, mit der Möglichkeit Äbtissin zu werden, und die anderen. Erlauben wir uns anzufügen, dass die Liebe Christi mögliche Schwierigkeiten löste, und dass, mit Ausnahme einiger klarer Fälle, es schwierig wäre, Gemeinschaften zu finden, die aus diesem Grunde gespalten waren, zumindest im XIII. Jahrhundert: die Unterscheidung zwischen Gebildeten und Ungebildeten schien natürlich zu sein.

            Das XII. Jahrhundert ist das grosse Jahrhundert der Nonnenklöster: grosses Jahrhundert wegen der zahllosen Gründungen, die manchmal von kurzlebigem Charakter waren; und grosses Jahrhundert wegen der leidenschaftlichen Glut in diesen Konventen. Am Ende des XII. Jh. gab es vielleicht ungefähr hundert Klöster, die mehr oder weniger der Regel des hl. Benedikt und den Usus der Zisterzienser folgten. Obgleich die Nonnen ein ähnliches Leben wie ihre Brüder von Cîteaux führten, erinnern manche Frauenklöster kaum an eine Männerabtei, und wenn man manche Ruinen sieht, möchte man gerne wissen, wie die regularen Orte aufgefasst wurden. Ehrlich gesagt, die Uniformität in den Gebräuchen war sehr viel größer als die der Bauwerke. Viele Klöster haben mit einer kleinen Gruppe von Frauen mulieres religiosae rund um eine Kapelle angefangen. Die regularen Orte wurden nach und nach eingerichtet: Kapitelsaal, Refektorium und gewöhnlich auf der ersten Etage das Dormitorium. Das Haus des Seelsorgers war gut getrennt von den Wohnräumen der Nonnen und stand in Verbindung mit dem Sanktuarium der Kirche. Das Leben der Nonnen war hart: sie standen in der Nacht auf, sangen das Offizium, beobachteten streng das Fasten nach der Regel des hl. Benedikt und arbeiteten mit ihren Händen.

 

Quellentexte :

1. Gertrud von Helfta,

(aus: Der Gesandte der göttlichen Liebe, 2. Buch, Kap.1)

            Während ich also zu besagter Stunde inmitten unseres Schlafsaales stand und das Haupt, das ich zur ordensüblichen Ehrfurchtsbezeigung vor einer älteren mir begegnenden Schwester verneigt hatte, wieder erhob: da sah ich an meiner Seite einen Jüngling von ungefähr 16 Jahren, liebenswürdig und zartgliedrig, wie er damals für meine äußeren Augen wünschenswert gewesen wäre und ihnen gefallen hätte. Mit strahlendem Antlitz und sanften Worten sprach er zur mir: „Schnell wird kommen dein Heil. Warum verzehrst du dich in Trauer? Ist dir nicht ein Ratgeber zur Seite, da der Schmerz dich verändert hat?“ Während er dies sagte, da war es mir, obgleich ich wusste, dass ich körperlich am genannten Orte stand, als ob ich dennoch in unserem Chore sei in der Ecke, wo ich mein laues Gebet zu verrichten pflegte, und hörte dort folgende Worte: „Ich werde dich retten und befreien, fürchte dich nicht!“ Während ich dies hörte, sah ich, wie seine zarte rechte Hand die meine nahm, als wollte sie dieses Versprechen bekräftigen. Und er fügte hinzu: „Mit meinen Feinden hast du Erde geleckt und Honig unter Dornen gekostet, kehre endlich zurück zu mir, und ich will dich aufnehmen und mit dem Strome meiner göttlichen Wonne berauschen.“ Bei diesen Worten sah ich umblickend zwischen mir und ihm, nämlich zu seiner Rechten und mir zur Linken, einen unendlich langen Zaun, so dass weder vor mir noch in meinem Rücken ein Ende abzusehen war. Auf den Spitzen dieses Zaunes aber war eine so dichte Masse von Dornen aufgehäuft, dass nirgendwo sich mir ein Zugang öffnete, um zu dem besagten jungen Mann zurückzukehren. Während ich nun so zauderte, vor Sehnsucht brennend und fast verschmachtend, da ergriff er mich plötzlich ohne jede Schwierigkeit; hob mich in die Höhe und stellte mich neben sich.

(nach der lat.-frz. Ausg. In Sources Chrétiennes, Bd. 139, S. 228-230; deutsch: Gertrud die Grosse von Helfta, Gesandter der göttlichen Liebe, ungekürzte Übersetzung von Johanna Lanczkowski, Heidelberg 1989, S. 13-14)

                       

2. Aleydis (Alice) von Schaerbeek

Vita, 4, 2-7, 10-11 :

            In ihrem Inneren vereinigte sie sich in den Drangsalen mit Gott; äusserlich unterwarf sie ihren Leib durch harte Arbeit. Innerlich floß sie unaufhörlich über durch Ströme von Tränen, die aus dem wachsamen Bewußtsein ihrer eigenen Schwäche und dem glühenden Verlangen, die Herrlichkeit Gottes zu schauen, entsprangen. Um Früchte zu bringen, die ihre Seele wieder zu beleben vermöchten, bewässerte sie stets den Grund ihres Herzens, indem sie äusserlich die Bedürfnisse all ihrer Nächsten zu stillen suchte und innerlich sich tapfer gegen den Kleinmut gürtete. Denn allen war sie Trösterin; indem sie im Innersten mit den Elenden litt, trug sie geduldig die Schwächen der anderen und vergalt das Unrecht nicht, das ihr angetan wurde. Innerlich versuchte sie, sich dem Bilde Gottes, das sie im Herzen trug, anzugleichen; aussen suchte sie ständig in ihrem ganzen Verhalten und Benehmen unter dem Blick Gottes zu leben. Nach aussen zeigte sie sich allen gegenüber wohlwollend, gesellig, freundlich, sanft und zugänglich; im Inneren unterwarf sie sich vollständig der Majestät Gottes und seinem Willen. Innerlich war sie erleuchtet und von glühender Liebe; aussen war sie Licht und Freude durch ihre guten Werke. Da sie wusste, dass der Müssiggang ein Feind der Seele ist, lenkte sie bereitwillig und rasch ihre Schritte zu jedem guten Werk. Es gab keine Zwischenzeit oder Stunde, worin sie Zeit verloren hätte. Entweder war sie innerlich mit der Meditation göttlicher Dinge beschäftigt oder sie lenkte ihren Eifer äusserlich auf erbauliches Tun oder Reden hin ... Sie hatte im Evangelium gehört, dass der Herr mit drei Jüngern auf einen Berg gestiegen war. Seine Schritte wollte sie nachahmen, und um bis zum Gipfel des Gottesberges zu gelangen, verknüpfte sie die Arbeit und die Meditation mit dem Gebet. Vieles entdeckte sie bei der Arbeit, mehr noch erspürte sie durch intensives Nachsinnen, aber das grösste von allem fand sie, wenn sie nicht nachließ im inständigen Gebet.

(Vita Aleydis de Scarenbeke, ediert von den Bollandisten in Acta Sanctorum 11.Junii, 471 ff.;  weitere Edition: Königl. Bibliothek Brüssel, Ms 9363, fol. 248-252. Hier übers. nach dem lat. Text von Chrysostomus Henriquez in Quinque prudentes virgines, Antwerpen 1630, S. 171-173.)

 

3. Ida von Léau

Über Ida von Léau schreibt Sr. Colman:

            Ida zeigt uns, dass wir die Quelle der Freude suchen müssen, nicht die Freude selbst. Sie illustriert uns auch, dass die im westlichen Mönchtum überlieferten Wege des Gebets gangbar sind: lectio, meditatio, oratio und contemplatio. Wir brauchen nicht ausserhalb unseres eigenen lebendigen Erbes wirksamere Gebetstechniken zu suchen, um zur Vereinigung mit Gott zu gelangen, denn dieses Ziel erreicht man nicht durch diese oder jene Technik. Das Gebet selbst ist ein Geschenk, für das man sich nur so gut wie möglich bereit machen kann, um es zu empfangen. Die vierstufige Leiter für die Mönche erwies sich als passend für unseren westlichen Pragmatismus und die intellektuelle Ausrichtung des Geistes. Manche spirituell veranlagten Leute neigen dazu, ein leichtes Schuldgefühl wegen dieser intellektuellen und pragmatischen Veranlagungen zu entwickeln. Ida kann uns in dieser Hinsicht beruhigen. Wie jede andere Neigung können auch sie eine Gnade sein, und Gott nimmt seine Geschöpfe immer so, wie sie wirklich sind, nicht so, wie sie glauben sein zu müssen.

            Ida kann uns auch zu einer tieferen Wertschätzung der Liturgie als Mittel zur Vereinigung mit Gott führen. In der auf das Zweite Vatikanische Konzil folgenden Zeit hat der öffentliche Gottesdienst der Kirche eine dramatische Umwälzung erlebt, und die Staubwolken haben kaum begonnen, sich zu setzen. Manche Liturgiker scheinen fest gewillt zu sein sicherzustellen, dass das niemals geschieht, weil sie Stagnation und Ruhe des Geistes verwechseln. Die innere Ruhe und Stille ist eine grundlegende Notwendigkeit für das kontemplative Gebet. Ida zeigt uns den Wert und die Schönheit der Liebe zum Opus Dei, zur Anbetung Christi im Allerheiligsten Sakrament und zur aktiven Teilnahme am sakramentalen Leben der Kirche - Elemente des geistlichen Lebens, die heute allzu oft vernachlässigt werden.

            In erster Linie kann Ida uns zeigen, wie wir üben können, was Gilbert von Hoyland die „Disziplin der Sehnsucht“ nennt, die „am kennzeichnendsten ist für die klausurierten Brüder“ und für jeden Menschen, der wirklich Gott sucht und nach der vollkommenen Vereinigung mit Ihm verlangt, nach dem sich seine oder ihre Seele sehnt, „wie die Hindin schmachtet nach dem lebendigen Wasser“, und der sich niemals zufrieden gibt und sagt: „das genügt“.

(Colman O’Dell; OCSO, „Ida of Léau: Woman of Desire“, in John A. Nichols, Lilian Thomas Shank, ed., Hidden Springs, Cistercian Monastic Woman, Medieval Religious Women, Volume Three, Book One, Kalamazoo, 1995 (Cistercian Studies Series 113A), S. 439-440.

 

4. Beatrix von Nazareth

Aus „Van seven manieren van heileger minnen“ Die sechste Weise der Minne:

            Wenn die Braut unseres Herrn weiter fortgeschritten und höher aufgestiegen ist zu grösserer Kraft, dann fühlt sie noch eine andere Weise der Minne, in dichtem Nahesein und höherem Erkennen. Sie fühlt, dass die Minne all ihre Widerstände in ihr überwunden und alles Nichtvermögen geheilt hat und Herr geworden ist all ihrer Sinne, dass sie die Natur zur vollen Entfaltung gebracht und ihr Sein bereichert und erhöht hat, so dass sie selbst über sich ohne jeden Widerspruch Gewalt bekommen hat, also dass sie ihr Herz in Sicherheit besitzen, dass sie in Ruhe geniessen darf und fortan in Freiheit wirken kann und muss. Wenn sie hierin ist, dann dünken ihr alle Dinge klein zu sein, leicht zu tun oder zu lassen, zu dulden und zu ertragen: so entspricht es der Würde der Minne. Und dann wird es ihr leicht, sich in der Minne zu üben. Alsdann spürt sie eine göttliche Macht, eine klare Reinheit und geistliche Süsse, eine des Begehrens werte Freiheit und ständige Weisheit, eine beglückende Gleichheit mit unserem Herrn und eine unmittelbare Nähe zu Gott. Und dann gleicht sie einer Hausfrau, die ihrem Hauswesen grosse Aufmerksamkeit schenkt, es gut überlegt eingerichtet und schön geordnet hat, es vorsorglich beschützt und klug behütet, und die mit weiser Unterscheidung schafft: sie wirkt drinnen und sie wirkt draussen, über ihr Tun und Lassen frei verfügend. Genauso ist es mit dieser Seele: sie ist Minne geworden, und die Minne herrscht in ihr voll Macht, kraftvoll schaffend und ruhend; drinnen und draussen schaltet und waltet sie frei nach ihrem Willen. Und also gleicht sie dem Fisch, der in der Weite des Flusses schwimmt und in der Tiefe ruht, und dem Vogel, der kühn auffliegt in die Weite und Höhe der Lüfte - genauso fühlt sie ihren Geist frei und ungebunden verweilen in der Weite und Tiefe, in der Breite und Höhe der Minne. Die Gewalt der Minne hat die Seele gezogen und geführt, behütet und beschirmt, sie hat ihr die Klugheit und die Weisheit, die Süsse und die Kraft der Minne verliehen. Aber noch hält sie der Seele ihre Übermacht verborgen bis zu dem Augenblick, da diese zu grösserer Höhe aufgestiegen und gänzlich in sich selbst frei geworden ist und die Minne noch machtvoller in ihr herrscht. Dann macht die Minne sie so kühn und so frei, dass sie nichts fürchtet, weder Mensch noch Teufel, weder Engel noch Heilige noch Gott selbst in all ihrem Tun oder Lassen, im Werk oder in der Ruhe. Und sie fühlt deutlich, dass die Minne in ihr also kräftig und stark wirkt, in der Ruhe des Leibes wie auch in allem Wirken. Sie weiss gut und nimmt es auch wahr, dass die Minne nicht abhängt von der Mühe und der Anspannung derjenigen, in denen sie herrscht. Aber alle, die zu dieser Minne kommen wollen, müssen sie suchen mit Furcht, ihr nachfolgen in Treue und sie üben mit Begehren, und sie dürfen nicht sparen mit ernstem Mühen, mit Anstrengung und Ertragen von Ungemach. Alle kleinen Dinge müssen sie für wichtig erachten bis zu dem Augenblick, da die Minne in ihnen zu herrschen anhebt und das grosse Werk der Minne wirkt, das alle Dinge klein macht und alle Mühe versüsst und alle Peinen lindert und alle Schuld nachlässt. Das ist die Freiheit des Gewissens, die Süsse des Herzens und die Gut-heit der Sinne, der Adel der Seelen und die Erhabenheit des Geistes und der Anbeginn des ewigen Lebens. Dies ist jetzt schon hier ein engelgleiches Leben, und hiernach folgt das ewige Leben, das Gott um seiner Güte willen uns allen geben möge.

(Beatrijs van Nazareth: Van seven manieren van heileger minnen, uitgegeven naar het Brusselse handschrift, ingeleid en van aantekeningen voorzien door H.Vekeman en J.Tersteeg. Zutphen 1970, S. 46-49. Deutsche Übersetzung: Sr. Ruth, Abtei Maria Frieden.

Vita beatricis. De autobiografie van de Z. Beatrijs van Tienen O.Cist. 1200-1268. In de Latijnse bewerking van de anonieme biechtvader der abdij Nazareth te Lier voor her eerst volledig en kritisch uitgegeven door L. Reypens S.J., Antwerpen 1964, S. 170-173.)

 

Fragen als Hilfe zum Nachdenken:

1. Was kann diese Einheit uns lehren über die Praxis der Klausur, über die Ernsthaftigkeit der Arbeit und der Ausbildung der Zisterzienserinnen? Welche Kompetenzen sollten wir uns erwerben?

2. Die mittelalterlichen Klöster waren - wenn man davon ausgeht, wie sie sich uns heute darstellen - umgeben von Laienbrüdern, Familiaren usw. Können sie diesbezüglich noch Quellen der Inspiration sein, wie wir heute auf neue Bedürfnisse antworten können? Unter welchen Bedingungen?

3. Kann man heute noch die Kluft zwischen gebildeten und ungebildeten Schwestern finden - oder taucht sie heute auf neue Weise wieder auf? Woher kommt das, und wie zeigt es sich? Wie kann man es verhindern?

4. Haben wir in unseren Kommunitäten das Verlangen nach einem intensiven geistlichen Leben? Was hilft uns in diesem Punkt, und worin sind wir weniger begünstigt als die hier vorgestellten Zisterzienserinnen?

5. Die hier vorgestellten Quellentexte enthalten eine Reihe von Anspielungen auf die Benediktsregel, auf die Liturgie und auf die zisterziensiche Spiritualität. Es wäre gut, diese aufzudecken und ihnen genauer nachzugehen.

6. Welche theologische und spirituelle Botschaft überliefern uns diese Texte?