Unsere Untersuchung der Gründe im Gesandten,
die zum Fernbleiben von der sakramentalen Kommunion veranlassen, haben das
Motiv der Unterscheidung mit seinen beiden Begleitern, dem
Gehorsam und dem reinen Wunsch, Gott zu verherrlichen, ins Licht gestellt. Es
wurde klar, dass sich Gertrud darin von den theologischen und pastoralen
Ansichten ihrer Zeit distanzierte, bei denen die Notwendigkeit der
Selbstprüfung den Eifer des guten Willens leicht lahm legte, indem man das
Motiv der Unwürdigkeit überbetonte. Treu zu der alten monastischen Tradition,
in der die Reflexion über sich selbst in der Arbeit der Unterscheidung bei
einem „erfahrenen Meister“ vermittelt wird, macht sich die Heilige auf diese
Weise frei von den Fallen eines Gewissens, das sich selbst richtet, und setzt
an ihre Stelle eine Vorgangsweise beim Hinzutritt zur sakramentalen Kommunion,
die in ihren ganzen Aufbau dem Geheimnis der Kirche Rechnung trägt. Wenn der
Schüler seine Gedanken seinem abba offenbart und mit ihm gemeinsam
nach dem Willen Gottes sucht, handelt es sich dann nicht um eine Zelle der
Kirche, die das Geheimnis der Dreifaltigkeit zum Leuchten und den Heiligen
Geist der discretio (Unterscheidungsgabe)
ins Spiel bringt, der die Beziehung zwischen Jesus und dem Vater beseelt hat?
So erhält er Gelegenheit, an den Gliedern des Leibes das Werk fortzusetzen, das
er am Haupt getan hat: ein Werk des Gehorsams, das vom reinen Wunsch beseelt
ist, Gott zu verherrlichen. Wenn man sich auf einen solchen „Prozess“ einlässt,
dann erkennt man zugleich, dass das,
was sich ständig im Geheimnis der Kirche abspielt, die Mitspieler bis in die
Kulissen hinein prägt. Das kommt bei den großen Scholastikern kaum vor, wo die
Vorbereitung auf die heilige Kommunion zu einer ziemlich individualistischen
Untersuchung wird, die sich innerhalb der Kulissen des Ich abspielt.[1] Im Gesandten
der göttlichen Liebe dagegen prägt die Öffnung für die kirchliche Ebene die
Mitspieler bei der Vorbereitung bis in die Kulissen.
Das wollen wir nun herausarbeiten, indem wir die drei Punkte untersuchen,
die sich aus dem Gesandten ergeben.
Miteinander bilden sie eine Art Ritual für den Hinzutritt:
Wir haben bereits gesehen, wie sich die göttliche Liebe (divina pietas) durch das Vertrauen
des Menschen anrühren lässt: so weit, dass ihr Herz dadurch durchbohrt wird
(Buch 3,7). Hier muss ich darauf zurückkommen, denn nur im Licht dieser confidentia (dieses Vertrauens), des
ersten Sterns auf dem Himmel der Heiligkeit (Buch 1,10), begibt sich Gertrud
auf den Weg zur sakramentalen Kommunion. Dazu ein erstes Zeugnis:
„Diesem Vertrauen (confidentia) verdankte sie eine besondere Gnade, die die Kommunion
betraf: Niemals, weder durch das, was sie las, noch durch das , was sie hörte
über die Gefahr der unwürdigen Kommunion konnte sie vom furchtlosen Empfang
abgehalten werden, da sie ihr ganzes Vertrauen in das herzliche Erbarmen des
Herrn (pietate Domini) setzte. Ihre
eigenen Anstrengungen erachtete sie für gering und für fast nichts, und so unterließ sie niemals
die Kommunion, wenn sie die üblichen Gebete und Übungen der Vorbereitung
vernachlässigt hatte. Sie urteilte so: Wie ein Tropfen ein Nichts ist im
Vergleich mit dem Ozean, so ist es mit jeder menschlichen Anstrengung gegenüber
diesem überragenden Gnadengeschenk.“ (Buch 1,10)
Übrigens bemerkt die Redakteurin des ersten Buches auch, dass Gertrud auch
Menschen mit unruhigem Gewissen, die sie aufsuchten, auf diesen Weg des
Vertrauens weist (accedere confidenter).
Bisweilen zwang sie diese geradezu (quasi
vi compelleret). Als sie eines Tages fürchtete, sich zu viel herausgenommen
zu haben und das dem Herrn vortrug, bestärkte sie dieser in ihrem Dienst der discretio (Unterscheidungsgabe) und
sagte:
„Fürchte dich nicht, sondern sei getrost, denn
ich, dein Herr und Gott, liebe dich. Ich habe dich aus unverdienter Liebe
erschaffen und erwählt, um in dir zu wohnen und mich an dir herzlich zu
erfreuen. Darum gebe ich allen, die mich durch dich fragen, sichere und
unbezweifelbare Antwort über alles. Du aber sollst darüber sicher sein durch
die Verheißung, dass ich niemals einem Menschen, den ich für das Sakrament
meines Leibes und Blutes unwürdig halte, erlauben werde, dich darüber zu
befragen. Den Geplagten und Beladenen, die ich zu dir schicke, sollst du
verkünden, dass sie ohne Besorgnis hinzutreten sollen. Ihnen werde ich wegen
deiner Liebe und Begnadung niemals meine väterlichen Arme verschließen und
ihnen den beglückenden Friedenskuss nicht verweigern.“ (Buch 1,14)
Im zweiten Buch dankt Gertrud selber dafür, dass sie der Herr nicht
zurückgewiesen hat, wenn sie sich „so oft schlecht vorbereitet zum hochheiligen
Gastmahl seines Leibes und Blutes“ nahte. Die Fortsetzung ihrer Danksagung
zeigt ihren überaus wachen Sinn über die kirchliche Solidarität[2], die sich hier im Bereich der
Vorbereitung auf die sakramentale Kommunion zeigt:
„Deine unausschöpfliche Großzügigkeit
gegenüber dem Kleinsten und Unfähigsten deiner Werkzeuge hat noch diese Gnade
hinzugefügt: Durch deine Gnade habe ich die Gewissheit empfangen, dass jeder,
der nach deinem heilsamen Sakrament verlangt, aber durch Gewissensbisse
beunruhigt, bei mir, der geringsten deiner Dienerinnen, demütig Rat und Stütze
sucht, von deiner überbordenden Liebe (tua
incontinens pietas) aufgrund dieses Aktes der Demut dieses großen
Sakraments für würdig gehalten wird. Er wird es zu seinem ewige Heil empfangen.
Wen aber deine Gerechtigkeit für unwürdig hält, dem wirst du nicht gestatten,
bei mir Rat zu holen. Du erhabener Herr, du wohnst in der Höhe und blickst doch
auf die Geringen herab. Du hast mich oft unwürdig zum heiligen Sakrament
herantreten sehen. Bei gerechter Abwägung hätte ich verurteilt werden müssen.
Du aber wolltest, dass andere durch die Tugend der Demut würdig werden. Wenn du
das auch ohne mich besser hättest erreichen können, so wolltest du es doch in
Anbetracht meiner Armut voll Liebe (pietas
tua) durch mich vollbringen. So konnte ich nämlich wenigstens an den
Verdiensten der anderen Anteil erhalten, die aufgrund meiner Ermahnungen die
Frucht des Heiles empfangen sollten.“ (Buch 2,20)
Das hier ist ein typisches Beispiel, wie Gertrud die Pastoral des
Hinzutrittes zur sakramentalen Kommunion sieht. Vom Heiligen Geist angeregt[3] entdeckt sie staunend den Plan der divina pietas, der die Glieder der
Kirche untereinander vereint, damit die Demut der einen der Unwürdigkeit der
anderen zu Hilfe kommt. So werden sie – ausgenommen im Fall einer Todsünde –
vorbereitet, gemeinsam dem Sakrament des Lebens zu nahen. Hier kann man
abschätzen, mit welch theologischem
Feingefühl und welcher Treffsicherheit Gertrud ihre Anhaltspunkte auf dem Weg
zum Empfang der sakramentalen Kommunion aufstellte. Es wäre unrecht zu
behaupten, dass sie sich von denen der Lehrer der Scholastik unterscheiden.
Besser wäre es zu erkennen, dass sie noch weiter gehen, indem sie die Pflicht,
sich selbst zu prüfen, mit der Pflicht, sich als Kirche zu prüfen, verbinden.
Hier noch andere Beispiele:
a) Buch 2,5:
Hier handelt es sich um ein Gebet, das Gertrud „während der Sonntagsmesse“
formuliert, in der man Gaudete in Domino singt,
bevor sie zum Kommunionempfang ging:
„Herr, ich bekenne, dass ich meinen
Verdiensten nach nicht würdig bin, auch nur das geringste Geschenk von dir zu
empfangen, doch um der Verdienste und der Sehnsucht aller hier Versammelten
willen flehe ich dich an: Durchbohre mein Herz mit dem Pfeil deiner
Liebe!“(Buch 2,5)
Hier ist es nicht die Demut der einen, die die Unwürdigkeit der anderen
ausgleicht, sondern „die Verdienste und die Sehnsucht aller hier Versammelten“
kommen der Unwürdigkeit Gertruds zu Hilfe. Wie auch immer, was an der Hilfe,
die die Glieder der Kirche voneinander empfangen, unsere Aufmerksamkeit an sich
zieht, ist die Tatsache, dass sich Gertrud auf den Leib der Kirche stützt, wenn
sie zur heiligen Kommunion geht, um die Gnade einer tieferen Vereinigung mit
Christus zu empfangen.[4]
b) Buch 3,18:
Dieser Textabschnitt scheint ein lebendiger Schnappschuss an einem Tag der
sakramentalen Kommunion zu sein:
„Einmal trat eine der Schwestern mit
großer Furcht zum Empfang des Sakramentes des Lebens. Sie sah dies und wandte
sich mit Unwillen von ihr ab. Der Herr aber tadelte sie milde und sprach: ‚Hast
du nie bedacht, dass mir ebensoviel Ehrfurcht geschuldet wird wie Liebe (reverentia honoris und dulcedo amoris)? Aber die Schwachheit des Menschen ist nicht
fähig, beide Gefühle zur gleichen Zeit in gleicher Tiefe zu empfinden. Deshalb
sollt ihr, die ihr untereinander Glieder seid, einander ergänzen, sodass sich
das, was bei der einen weniger ausgeprägt ist, bei der anderen findet. Wer zum
Beispiel von inniger Liebe ergriffen ist und weniger Ehrfurcht empfindet, soll
sich freuen, dass eine andere mit besonders ausgeprägter Ehrfurcht dazu die
Ergänzung bietet, und gleichzeitig wünschen, dass auch die andere den Trost der
göttlichen Gnade erfährt.“ (Buch 3,18)
Achten wir darauf, dass das an dieser Stelle verwendete Vokabular mit dem
des hl. Thomas von Aquin in der Summa
theologica verwandt ist:
„Die Ehrfurcht gegenüber dem Sakrament
verbindet Furcht und Liebe (timorem amori
conjunctum). Deshalb wird die Ehrfurcht Gott gegenüber kindliche Furcht
genannt... Tatsächlich ist es die Liebe, die die Sehnsucht weckt, das Sakrament
zu empfangen, während die Furcht hochachtungsvolle Demut zeugt. Das veranlasst
den hl. Augustinus zu sagen: ‚Der eine kann sagen, man solle die Eucharistie nicht täglich empfangen, während ein
anderer das Gegenteil behauptet. Jeder soll tun, was er guten Glaubens aus
Frömmigkeit tun zu sollen glaubt. Denn es gab keinen Streit zwischen Zachäus
und dem römischen Hauptmann. Während sich der erste freute, den Herrn
aufzunehmen, sprach der zweite: Herr ich bin nicht würdig, dass du eingehst
unter mein Dach. Beide haben dem Herrn Ehre erwiesen, wenn auch nicht auf
dieselbe Weise.’ Doch sollen Liebe und Hoffnung, zu denen uns die Heilige
Schrift immer einlädt, gegenüber der Furcht überwiegen. Als Petrus sagte: ‚Herr
geh weg von mir, denn ich bin ein Sünder’, antwortete ihm nämlich Jesus:
‚Fürchte dich nicht!’[5]
Sowohl beim hl. Thomas wie bei der hl. Gertrud geht es um Ehrfurcht (reverentia) und Liebe (amor). Doch auf der Ebene, wie diese
beiden Haltungen (affectus)
zueinander stehen, entfernt sich der Gesandte
von der Summa. Man könnte sagen, dass
beim hl. Thomas und hl. Augustinus beide nebeneinander stehen, ohne sich
bewusst zu sein, dass sie zum selben Leib gehören. Bei der hl. Gertrud aber
stehen sie nicht nebeneinander, sondern sie gehören zum selben Leib: „Es ist
gut so, da ihr als Glieder zueinander gehört... , was bei der einen weniger
ausgeprägt ist, findet sich bei der anderen.“
Buch 4,13:
Dieser Abschnitt wurde schon teilweise analysiert, als wir über die Gründe
sprachen, die nach dem Gesandten das
Fernbleiben von der Kommunion rechtfertigen. Gertrud hat sich also damals „aus
Klugheit“ (causa discretionis – Buch
4,13) enthalten. Während sie sich
mystisch am Herzen Christi labte, hat sie folgende Vision:
„Im Geist sah sie alle, die an diesem Tag
zur Kommunion gingen. Sie standen vor dem Angesicht des Herrn. Er schenkte ihnen gleichsam als
Vorbereitung zur Kommunion aus dem, worum sich Gertrud bei der Vorbereitung so
sehr gemüht hatte, schön verzierte Kleider. So besaß eine jede ein besonderes
Geschenk der göttlichen Güte (divinae
pietatis), wodurch sie würdig zur Kommunion vorbereitet waren.“ (Buch 4,13)
Abgesehen vom Thema des Schmuckes, auf den wir später noch zurückkommen
werden, wird hier der kirchliche
Charakter der Vorbereitung auf die sakramentale Kommunion wiederum bestätigt. Der folgende Text zeigt, dass sich Gertrud
dessen wohl bewusst war:
„Gertrud erkannte dadurch: Wenn sich ein
Mensch durch besondere Gebete, fromme Übungen usw. auf die Kommunion
vorbereitet, den Empfang aber aus
Gründen der Klugheit, Demut oder des Gehorsams
(causa discretionis vel
humilitatis aut obedientiae) unterlässt, dann tränkt der Herr diesen
Menschen am Strom seiner göttlichen Wonnen. Er lässt auch andere an der
Vorbereitung dieser Person teilhaben und macht sie würdiger, die Kommunion zu
empfangen. Alles Gute aber, das diese empfangen, gereicht jener zum Verdienst,
die sich – so gut sie konnte – auf die Kommunion vorbereitet hatte, ohne diese
jedoch empfangen zu können.“ (Buch 4,13)[6]
Diese Beispiele bringen eine erste Erklärung für das Vertrauen (confidentia), das das ganze geistliche
Leben Gertruds beseelt und ihm als
Leitlinie dient, um zur sakramentalen Kommunion zu gehen. Ihre
Unterscheidungsgabe (discretio) hat
ihr die Augen für das Geheimnis der Kirche geöffnet. Sie begreift, dass die
Zugehörigkeit zum selben Leib die Glieder zur gegenseitigen solidarischen
Teilhabe in der Gnade verpflichtet, woraus das Vertrauen (confidentia) entspringt. In dieser Perspektive darf sich keiner
außerhalb seiner Verbundenheit mit dem Leib prüfen. Dann wird das Motiv der
Unwürdigkeit weniger Einfluss auf das Schuldgefühl haben, das sich so gerne
erhebt. Man könnte sagen, dass sich Jesus im Gesandten der göttlichen Liebe mit dem römischen Hauptmann bei
Zachäus einlädt.
Doch endet die kluge Unterscheidung (discretio)
Gertruds nicht hier. Sie schöpft ihr Vertrauen (confidentia) aus einer noch tieferen Quelle als bloß aus der
Zugehörigkeit zur Kirche. Sie schöpft es aus der Quelle selbst für das
Geheimnis der Kirche, dort, wo die Kirche Leibesgestalt annimmt, indem sie den
Leib (Christi) aufnimmt, in der Feier der heiligen Geheimnisse selbst. Das
wollen wir nun miteinander betrachten.
Wenn die heilige Gertrud dem Herrn erklärt, sie habe sich niemals besser
auf die Kommunion vorbereitet als durch „die Mitfeier der Messe“ (Buch 3,8),
dann stellt sie sich ins Innere ihrer Verbindung mit der Kirche, des „sentire
cum ecclesia“, dorthin, wo die Braut Christi versteht, dass dieses
Sakrament wirklich ihr Wohl wirkt und dass die Feier keinen anderen Sinn hat
als die Ausrichtung auf die Kommunion. Aber es gibt noch andere Gründe, die
eine Erklärung bilden, warum und wie die heiligen Geheimnisse in ihr das
Vertrauen (confidentia) entzünden.
Man muss sie im Bereich dessen suchen, was P. Gy „eine konkrete eucharistische
Christologie“ nennt, das heißt, einen „Besuch des Sohnes Gottes in Demut“ im
Sakrament der Eucharistie. Untrennbar von der Bedeutung der „Realpräsenz“, die
als „körperliche“ und „sakramentale“ Präsenz in Verbindung mit der
eucharistischen Deutung von Mt 28,20 („Ich bin bei euch bis zum Ende der Welt“)
die Lehre des hl. Bonaventura tief prägt. „Bei ihm gibt es ein Gehen und Kommen
zwischen der Technik der Scholastik und der vom Evangelium geprägten
Frömmigkeit des hl. Franziskus. Das erlaubt ihm, von den sakramentalen
Gestalten als von einem kleinen Mantel, oder – noch öfter – mit einem in der
Theologie seit Hugo von St. Viktor gebräuchlichen Begriff von einem Schleier (velamen) zu sprechen.“[7]
Auch Gertrud stellt die Verbindung zu Mt 28,20 her, ohne ausdrücklich
von der „Realpräsenz“ zu sprechen (Buch 3,77). Mehr, als zum Bild des Schleiers
oder des kleinen Mantels ihre Zuflucht zu nehmen, hält sie sich an den „Leib“
selbst in seiner sakramentalen Erscheinungsweise. Sie betrachtet ihn gleichzeitig
in seinen irdischen Dimensionen und in seiner Beziehung zum menschlichen Leib
der Gläubigen, die ihn sehen, berühren und essen. Nichts könnte konkreter sein
für sie als diese eucharistische Christologie, die im „von Leib zu Leib“ der liturgischen Feier ins Spiel kommt. Man
könnte sagen, dass Gertrud ihre liturgischen Lektionen im Raum der Sinne lernt,
dort, wo die Kirche Leibesgestalt annimmt, indem sie den Leib (Christi)
aufnimmt: was sie sieht, was sie hört, was sie berührt, was sie reicht, was sie
schmeckt, all das ruft sie zum Vertrauen (confidentia)
auf. Wir bringen hier vier Beispiele, die im Gesandten inhaltlich miteinander verknüpft sind.
a) Buch 3,18:
„Sie hatte eine Predigt über die göttliche
Gerechtigkeit gehört und ihr so viel Aufmerksamkeit geschenkt, dass sie Angst
bekam, zum Empfang des Sakramentes heranzutreten. Gott aber ermutigte sie mit
folgenden gütigen Worten: ‚Wenn du schon vergisst, mit den Augen deiner Seele (interioribus oculis) auf alle Zeichen
meiner Güte zu schauen, die ich dir schon so oft gegeben habe, so sieh
wenigstens mit den Augen deines Leibes (corporalibus
oculis), in welch enges Gefäß ich mich einschließe, um zu dir zu kommen.
Nimm es als Beweis, dass sich die Härte meiner Gerechtigkeit in die Milde
meiner Barmherzigkeit einschließen lässt, denn diese möchte ich in diesem
sichtbaren Sakrament allen Menschen vor Augen stellen.“
Hier lädt der Herr Gertrud zu einer Lektion in Sakramententheologie ein,
ausgehend von einem Eindruck des Gesichtsinnes: wenn sie schon keinen geeigneten geistigen Blick hat, so soll sie
sich auf das stützen, was sie mit leiblichen Augen sieht. Dann wird sie die
Gewissheit gewinnen, dass „sich die Härte meiner Gerechtigkeit in die Milde
meiner Barmherzigkeit einschließen lässt“,
denn diese möchte er „in diesem sichtbaren Sakrament allen Menschen vor
Augen stellen“. Das sagt viel über die sichtbare Gestalt des Sakraments (in exhibitionem hujus sacramenti) aus,
durch die die Heilige die Absicht des Herrn erkennt.
b) Buch 3,18 (später)
Der Aufruf zum Vertrauen muss sich verdoppeln, wenn zur Betrachtung der
Kleinheit der sakramentalen Gestalt der Vergleich zwischen der Größe dieses
sakramentalen Leibes mit dem menschlichen Leib hinzukommt. Hier vermählt sich
der Geschmacksinn mit dem Gesichtsinn, um die sachliche Unterweisung zu
fördern:
„Ein anderes Mal, als sie wiederum
zögerte, führte die göttliche Liebe (divina
pietas) sie mit folgenden Worten zum Empfang des Sakramentes: ‚Sieh diese
kleine Hostie. In ihr schenke ich dir meine ganze Gottheit und meine ganze
Menschheit. Vergleiche die Kleinheit der Hostie mit der Größe des menschlichen
Leibes. Dann kannst du auf mein Wohlwollen und meine Güte schließen: Denn wie
der menschliche Leib meinen Leib – nämlich in der Gestalt des Brotes, in der er
gegenwärtig ist - an Größe überragt, so
zwingen mich meine Barmherzigkeit und Liebe, der liebenden Seele zu erlauben,
gewissermaßen über mich zu verfügen, wie der menschliche Leib an Größe meinen
(eucharistischen) Leib übertrifft.“
c) Buch 3,18 (Fortsetzung)
Man wird dieses Beispiel und das Folgende besser verstehen, wenn man sich
an die soziologische Bedeutung des „ritualisierten Leibes“ erinnert. Man kann
darin eine entfernte Anwendung des Begriffes „Gesicht“ bei Erving Goffman
sehen, in dem Maß, als sich die Unterscheidung, die er zwischen Szene und Kulissen aufstellt, bis
auf den Leib auswirkt: „...auch er bringt öffentlich sichtbare Teile zur
Darstellung, die man sorgfältig inszenieren muss (das Äußere des Leibes, die
‚Fassade’, die Kleidung, das Gesicht, die Frisur, die Schminke...). Daneben
gibt es noch private Teile (alles, was auf das Innere des Leibes hinweist), die
man sorgfältig zum Verschwinden oder Übersehen-Werden bringen muss. Der
ritualisierte Leib ist somit ein eigener Bereich und eine Darstellung. Man
findet dort edle und weniger edle Stellen, private und öffentliche Anteile,
eine Szene und Kulissen.“[8] Es folgt ein Beispiel, wie der
ritualisierte Leib des Priesters, der mit dem ritualisierten Leib des Herrn in
Kontakt steht, Anlass zu einer weiteren
Lektion des Vertrauens wird:
„Als Gertrud die heilbringende Hostie
gereicht wurde, erklärte ihr der Herr neuerlich seine übergroße Güte in
folgender Weise: ‚Siehst du den Priester, der die Hostie darreicht? Den Ornat,
den er trägt, rafft er aus Ehrfurcht vor der Feier der Geheimnisse an den Armen
hoch, und er hält meinen Leib mit nackten Händen. Daraus sollst du erkennen:
Alles, was zu meiner Verherrlichung getan wird, wie Gebete, Fasten, Nachtwachen
usw. sehe ich mit Liebe an. Dennoch – auch wenn es die Unaufmerksamen nicht bemerken – bin ich mit größerer
Zuneigung bei meinen Auserwählten, wenn sie sich in der Erfahrung der
menschlichen Schwäche zu meiner Barmherzigkeit flüchten, so wie die nackte
leibliche Hand des Priesters mir näher ist als das Messgewand.“
Im vorliegenden Fall führt die Ritualisierung des Leibes keine Trennwand
zwischen privaten und öffentlichen Bereichen ein, sondern zwischen dem Ornat
und der Nacktheit. Und in dem Maß, in dem die privaten Teile vom Messgewand
profitieren, während die öffentlichen Teile nackt bleiben, kann man denken,
dass die liturgische Inszenierung eine Umkehrung der Bereiche beim
ritualisierten Leib bewirkt: Der Ornat auf den privaten Teilen bringt die
Nacktheit der öffentlichen Teile zum Vorschein. Und genau das ist die Lektion:
Das ganz nackte Vertrauen[9] der Gläubigen, die zur Barmherzigkeit des
Herrn ihre Zuflucht nehmen (dargestellt durch die Hand des Priesters), vermag
beim Herrn mehr als der Ornat, mit dem sie sich durch Werke des Gebets, des
Fastens, Nachwachens und andere Übungen bekleiden, die sie zu seiner Ehre
verrichten.
d) Buch 3,18 (Fortsetzung)
Die Glocke läutet zur Kommunion. Gertrud fürchtet, ungenügend vorbereitet
zu sein. Warum hat ihr der Herr nicht den Schmuck der Andacht (ornamenta devotionis) gesandt, den sie
von ihm zu empfangen wünscht? Hier die Antwort des Herrn:
„Manchmal wird ein Bräutigam mehr erfreut,
wenn seine Braut mit nacktem Hals erscheint statt mit einem Halsband. Auch
freut es ihn mehr, ihre zarte Hand zu berühren als die mit einem Handschuh
verhüllte. So bin ich auch mehr erfreut, wenn du in der Blöße der Demut vor mir
erscheinst als im Schmuck der Andacht.“
Auch hier wird der Leib wieder ritualisiert als Grundlage für die
Unterscheidung von Schmuck und Blöße. Dieses Mal aber handelt es sich nicht
mehr um den Leib des Priesters, sondern um den seiner Braut Gertrud. Eine neue
Lektion des Vertrauens: Die Blöße ihrer Demut erfreut den Bräutigam mehr als
die Gnade der Andacht.
Wie man diese Art rituelle Exegese auch beurteilt, sie verdient unsere
ganze Aufmerksamkeit, wenn man begreifen will, in welchem Sinn und auf welche
Weise Gertrud ihre Vorbereitung auf die sakramentale Kommunion ritualisiert.
Indem sie sich für das Geheimnis der Kirche öffnet, verwirft sie jeden
unbesonnenen Individualismus; und indem sie den „ritualisierten Leib“
betrachtet – den des Herrn in den Gestalten des Sakraments, den des Priesters
oder der Braut in der Unterscheidung zwischen Schmuck und Blöße, weist sie
einen übertriebenen „Eifer für die Gerechtigkeit“ zurück, der auch unbesonnen
ist. Nicht wenige Prediger ihrer Zeit
scheinen ihm verfallen gewesen zu sein. Sie hielten die Gläubigen von der
Kommunion fern, indem sie dem „Schmuck“ vorbereitender Übungen zu viel
Bedeutung zumaßen, ohne sich über den weit größeren Wert der „Blöße“ im Klaren
zu sein, der durch Demut und unerschütterliches Vertrauen auf die
Barmherzigkeit Gottes zustande kam.
Diese Lektion des Vertrauens auf der Basis der Öffnung für die Kirche und
der liturgischen Sinnenhaftigkeit erklärt auch „die Rolle der
Hauptdarstellerin“, von der wir früher
gesprochen haben. Das Gotteskind im Gesandten
lässt sich von asketischen Spitzenleistungen nicht anziehen. Sein Anteil ist
das Kleinsein, das es auch in der Kleinheit der eucharistischen Gestalt
erkennt, in die das göttliche Erbarmen die Gerechtigkeit eingeschlossen hat,
damit der Mensch über Gott verfügen kann. So gewinnt er Geschmack an der Größe
des unendlich Kleinen.
Gertrud war zu sehr in der Unterscheidungsgabe (discretio) geschult, um sich unbesonnen ihrem Stern anzuvertrauen:
Bedeutete es keine Vernachlässigung der Hingabe (devotio), wenn man dem Vertrauen (confidentia) so viel Raum zugestand? Wenn sich der Mensch so sehr auf die
Barmherzigkeit Gottes verließ, bestand da nicht die Gefahr, dass er ein gutes
Geschäft mit seinem eigenen Elend
machte? Musste Zachäus vom römischen Hauptmann nichts lernen? Mehrere Abschnitte des Gesandten zeigen, dass die Heilige die möglichen Klippen einer
solchen Pädagogik gesehen hat.
Insbesondere gibt es im langen Kapitel 3,18 einen Text, der in seiner
Art einzig ist. In ihm wird der Leser auf den Schmerz hingewiesen, den Christus
wegen der unwürdigen Kommunionen empfindet:
„Einmal bedachte sie nach dem Empfang der
heiligen Kommunion, mit welch großer Gewissenhaftigkeit und Umsicht der Mensch
seine Zunge bewachen und im Zaum halten muss. Denn die Zunge ist vor allen
Gliedern ausgezeichnet, da sie das kostbare Sakrament Christi aufnehmen darf.
Dieser Vergleich brachte ihr folgende Lehre:
Ein Mensch, der seine Zunge nicht hütet vor leerem Geschwätz, falschen
Reden, schändlichen Worten, Schmähungen und Murren und dann ohne Reue zum
Empfang des Sakramentes hinzutritt, gleicht einem Gastgeber, der dem
ankommenden Gast Steine entgegenschleudert, die er an der Tür angehäuft hat,
oder dem Ankommenden mit einem Knüppel auf den Kopf schlägt. Wer dies liest und
recht bedenkt, müsste vor Mitleid weinen: Er, der mit so großem Erbarmen kommt,
um die Menschen zu retten, wird so boshaft empfangen und grausam verfolgt! Und
auch bei allen anderen Sünden sollte der Mensch das bedenken!“(Buch 3,18)
Es ist zu bemerken, dass hier die Unterscheidung zwischen Todsünde und lässlicher Sünde überholt wird. Es handelt sich um kleine Sünden, deren Ernst sich an der Art des Gastes erweist, den man empfängt. Leeres Geschwätz, falsches Reden, schändliche Worte, Schmähungen“, ja sogar „Murren und Ähnliches“ verursachen unserem Gast einen tödlichen Schmerz, wenn kein Akt der Reue der Kommunion vorangeht.
Übrigens stellte sich Gertrud öfters selbst oder durch eine Mittelsperson
vor dem Herrn in Frage (Buch 1,14; 1,11). Dieser aber bestärkte sie jedes Mal
in seinen Gaben:
„Gewiss, ich habe sie (Gertrud) durch
diese besonderen Vorrechte ausgezeichnet: Alles, was irgendjemand durch sie
erhoffen kann, soll er durch sie empfangen können. Er wird es ohne Zweifel
erhalten. Wen auch immer sie der heiligen Kommunion für würdig erachtet, den
wird meine Barmherzigkeit niemals für unwürdig halten. Wenn sie jemanden zur
Kommunion ermutigt hat, wird er von mir um so liebevoller angesehen werden.
Drittens wird sie die Fehler der Ratsuchenden nach meiner göttlichen
Unterscheidung (secundum meam divinam
discretionem) als leichter oder schwerwiegender erwägen und beurteilen.
.... Ihr Vertrauen soll also nicht wanken (non
tamen diffidat), denn ich werde ihr diese Vorrechte verlässlich alle Tage
ihres Lebens erhalten.“ (Buch 1,16)
Eine aufmerksame Lektüre des Gesandten
zeigt, dass Gertrud trotz des großen Raumes, den sie dem Vertrauen (confidentia) einräumt, die Hingabe (devotio) nicht vernachlässigt hat.
Denken wir nur an den Sonntag, an dem sich der Herr „voll zufriedengestellt“
zeigt über die Vorbereitungsübungen, die sie „mehrere Tage“ auf sich genommen
hat, sodass er es vorzieht, sich mit seiner Braut zur Ruhe in die
Abgeschiedenheit zurückzuziehen, als mit ihr an Tisch sitzen zu bleiben (Buch
3,18). Worin bestanden nun diese „Vorbereitungen“, die der Herr hier mit den
„erlesensten Speisen eines üppigen Mahles“ vergleicht? Man stößt auf die
Beherrschung (continentiis), die
Gertrud ihren Worten und allen Sinnen auferlegt hat, ebenso auf „Sehnsucht,
Gebet und Willensakte“, denen sie ihre Aufmerksamkeit geschenkt hat. An anderer
Stelle sind es „alle Übungen, die zu meiner Ehre vollbracht wurden, wie Gebet,
Fasten, Nachtwachen und andere (orationes,
jejunia, vigiliae et similia)“ (Buch 3,18). Gertrud aber bleibt nicht dabei
stehen. Wir haben gesehen, dass ihr kirchlicher Sinn sie drängt, bei den
anderen Menschen auf der irdischen Pilgerschaft Hilfe zu suchen, mit denen sie
sich in einem Leib verbunden weiß. Es gibt noch mehr: sie ruft auch den ganzen
Himmel für die vorbereitende Hochzeitstoilette. Das kommt bei ihr gar nicht selten vor. Es ist eine
Gewohnheit, die sie sich ausgehend von einem in Helfta praktizierten Ritus
angeeignet hat. Bisher war es nicht möglich, den Ursprung dieses Ritus zu
finden, noch zu überprüfen, ob es ihn auch in anderen Klöstern gab. Vor allem
drei Textabschnitte des Gesandten
sind davon geprägt (Buch 4,48; 3,10 und 3,34). Der deutlichste lautet:
„Während man bei der Messe dreimal betete: Laudate Dominum, omnes gentes, bat sie ihrer Gewohnheit gemäß (more sibi solito) alle Heiligen, Gott für sie die Verdienste aller ihrer Tugenden darzubringen, damit sie würdig vorbereitet hintreten können, um das Sakrament des Lebens zu empfangen. Beim zweiten Laudate wandte sie sich an die selige Jungfrau und beim dritten an Jesus, den Herrn.“ (Buch 4,48)
Das „ihrer Gewohnheit gemäß“ (more sibi solito), das sich in Buch 3,10 in der Formulierung „ihre gewohnte Übung“ (morem sibi consuetum) findet, zeigt, dass diese Art des Lobpreises Gertrud vertraut ist, ebenso wie die Intention, mit der sie die dreifache Rezitation des Psalmverses begleitet. Übrigens ist es - woher dieser Ritus auch kommen mag – wichtig, wie Gertrud ihn verwirklicht. In ihrem Geist ist es undenkbar, sich allein auf die Kommunion vorzubereiten. Die Kommunion jedes Einzelnen geht alle an, sowohl in ihrer Wirkung, als auch bei der Vorbereitung. Der Gläubige kann nur als Kirche zur Kommunion hinzutreten, denn in ihm wird der ganze Leib in die Gestalt des Leibes Christi verwandelt, der ganze mystische Leib, der in ihm vom sakramentalen Leib ernährt wird. Man muss darum die ganze Kirche neu bekleiden, um hinzuzutreten. Hier trifft man ganz natürlich auf das Thema des „Schmuckes“ und des „ritualisierten Leibes“: Um bei der sakramentalen Kommunion ihr Gesicht zu wahren, findet die „Hauptdarstellerin“ nicht genug Schmuckstücke. Sie empfängt sie von Christus, von Maria und von den Heiligen. Es ist der Schmuck ihrer Verdienste und ihrer Tugenden, mit denen sie sich bekleidet, um würdig zu sein für das Hochzeitsmahl. Dazu einige Beispiele:
a)
Buch 3,34:
„Einmal war sie, als sie den heiligen Leib Christi empfangen wollte, sehr betrübt wegen ihrer mangelnden Vorbereitung. Da bat sie die seligste Jungfrau und alle Heiligen, sie sollten dem Herrn ihre Würdigkeit darbringen, mit der sie bekleidet worden waren, um diese oder jene Gnade zu empfangen. Auch bat sie den Herrn Jesus Christus, er möge für sie jene Vollkommenheit darbringen, in der er in der Stunde seiner Himmelfahrt vor Gott dem Vater stand, um die Verherrlichung zu empfangen. Kurz danach suchte sie zu erfahren, was sie durch das Gebet gewonnen hätte. Da antwortete ihr der Herr: ‚Du erscheinst allen Himmelsbewohnern in dem Schmuck, den du für dich erbeten hast: das hast du gewonnen.’ Und er fügte hinzu: ‚Wie könntest du an mir zweifeln (quare diffidere velles de me), dem allmächtigen und gütigen Gott? Sollte ich nicht vermögen, was jeder beliebige Mensch auf Erden kann, nämlich seinen Freund mit einem Gewand oder mit Schmuck zu beschenken, der dem seinen gleicht und so dafür zu sorgen, dass sein Freund in dem gleichen Schmuck erstrahlt wie er?“
Hier stellt man das Thema des Vertrauens (Quare diffidere velles de me) zusammen mit dem der Freundschaft fest: Wenn man seinem Freund nicht vertraut, kränkt man ihn...
b)
Buch 3,18:
Dieser lange Textabschnitt verbindet mehrere Gleichnisse des Evangeliums miteinander: den Turmbauer (Lk 14,28-30), den König, der gegen einen anderen König in den Krieg zieht (Lk 14,31-31), den verlorenen Sohn (Lk 15,11-32) und das Bühnenbild einer Hochzeit (Mt 22,1-14). Das Hauptthema, das dreimal wieder aufgenommen wird, lautet: 1) Keinerlei Vertrauen auf sich selbst setzen, doch seine Hoffnung auf die Güte Gottes richten (ex seipsa omnino diffidens, ac spem suam in Dei pietatem ponens), 2) In Demut und Vertrauen will ich ihm entgegengehen (cum humilitate et fiducia procedam illi obviam), und 3) wiederum das Vertauen (postremo confidentiam). Es geht also um das Vertrauen:
„Eines Tages wollte sie zur Kommunion gehen, die Zeit war knapp, und sie meinte, nicht genügend vorbereitet zu sein. Sie setzte keinerlei Vertrauen in sich selbst, sondern hielt sich ganz an die Güte Gottes (pietatem Dei). Da sagte sie zu sich selbst: „Was hilft mir das Zögern? Selbst wenn ich mich tausend Jahre mit aller Kraft abmühe, so kann ich mich dennoch nicht würdig genug vorbereiten, denn aus mir selbst habe und vermag ich gar nichts. Ich will meinem Herrn mit Demut und Vertrauen entgegengehen. Wenn er mich so ankommen sieht, wird er mir in seiner allmächtigen Liebe alles entgegenschicken, dass ich würdig vorbereitet und geschmückt vor ihn treten kann.“
Ganz gewiss wirft der Herr, wenn er sie kommen sieht, auf sie einen Blick des Erbarmens und sendet ihr den Schmuck seiner Tugenden entgegen, darunter auch das Vertrauen (confidentia), „auf das gestützt er sich immer wieder schwachen Menschen zuneigt, da es seine Freude ist, bei den Menschen zu sein.“ (Buch 3,18)
„Als sie ein wenig näher kam, sah sie den Herrn, der einen Blick des Erbarmens, besser noch, der Liebe warf. Er schickte ihr zu ihrer würdigen Vorbereitung seine Reinheit entgegen, er bekleidete sie damit wie mit einem weißen Hemd; dann schickte er seine Demut entgegen, in der er sich herabneigt und sich mit Unwürdigen vereinigt, und er bekleidete sie damit wie mit einer violetten Tunika; er schickte ihr seine Hoffnung entgegen, in der er selbst nach der Vereinigung mit der Seele verlangt, und so wurde sie mit hellem Grün geschmückt; er schickte ihr seine Liebe entgegen, mit der er sich um die Seele müht, und so wurde sie in einen goldenen Mantel gehüllt; Er schickte ihr seine Freude entgegen, die er an einer Seele hat, und damit wurde ihr eine kostbare Krone aufgesetzt. Zuletzt schickte er ihr sein Vertrauen entgegen, auf das gestützt er sich immer wieder schwachen Menschen zuneigt, da es seine Freude ist, bei den Menschen zu sein. Damit wurden ihr gleichsam Sandalen angezogen. So konnte sie würdig vor ihn treten.“[10]
c)
Buch 3,18 (Später)
An einem Kommuniontag sah sich Gertrud armselig vorbereitet und wollte sich zurückziehen.
„Da kam ihr der Sohn Gottes entgegen. Er führte sie in einen Raum, um sie zum Gastmahl vorzubereiten. Zuerst wusch er ihre Hände in der Vergebung der Sünden, kraft seines heiligen Leidens machte er sie vollkommen und rein. Danach nahm er seinen eigenen Schmuck ab, das Halsband, die Armreifen und Ringe, legte ihn ihr an und ermahnte sie, in diesem Schmuck würdig und sicher (decenter) aufzutreten und nicht wie einer Närrin (sicut fatua), die sich aus Dummheit und mangelnder Übung mit solchem Schmuck nicht zu bewegen weiß und die so statt Bewunderung Spott erregt. Durch diese Worte des Herrn erkannte sie: Jene Menschen bewegen sich wie Narren im Schmuck des Herrn, die ihn zwar nach Erkenntnis ihrer Unvollkommenheit bitten, das Fehlende zu ergänzen und erhört werden, die aber trotzdem ebenso furchtsam bleiben wie vorher, weil sie kein vollkommenes Vertrauen (plenam confidentiam) in die Kraft des Herrn haben, dass er alles ersetzen kann.“
Es ist auffallend, dass der ganze Bericht auf das Thema des Vertrauens (confidentia) hinzielt. Durch einen Wechsel der Kulissen (sie wird abseits gewaschen und bekleidet - ad secretiora) und der Szene (sie soll im Schmuck des Herrn würdig auftreten - cum ornamentis Domini decenter procederet) richtet sich die ganze Aufmerksamkeit auf sie. Sie ist der Stein des Anstoßes, an dem die Narren straucheln. Entweder man schmückt sich mit dem Geschmeide des Gottessohens und vertraut ihm vollkommen – dann hat man Recht auf Ehrfurcht und Ehrerweis, oder man verkleidet sich und bleibt ängstlich – dann erntet man nichts als Verachtung. Vertrauen und Würde (decenter) stehen miteinander in Beziehung.
d)
Buch 4,12:
Am Fest der Verkündigung des Herrn begann Gertrud während der Messe „(die Gottesmutter) zu bitten, sie auf den Empfang des heiligsten Leibes und Blutes ihres Sohnes vorzubereiten.“. Und der Bericht fährt fort:
„Da legte ihr die seligste Jungfrau ein Halsband um, das sieben Ausbuchtungen hatte, und in jeder von ihnen fand sich ein sehr kostbarer Edelstein. Diese Edelsteine bezeichneten die sieben Tugenden, durch die die heilige Jungfrau dem Herrn gefallen hatte. ...Ihre Seele erschien in diesem Schmuck vor dem Angesicht Gottes. Da zeigte sich der Herr so erfreut (delectatus) und gefangen (allectus) durch die Schönheit dieser Tugenden, dass er sich ihr von Liebe ergriffen (amore captus) mit der Allmacht seiner Gottheit zuneigte und sie auf wunderbare Weise ganz an sich zog. Er drückte sie zärtlich an sein Herz und liebkoste sie.“
Im zweiten Teil des Textes stößt man auf Wörter der Verführung: Gott ist erfreut (delectatus), gefangen (allectus) und ergriffen (captus) von der Schönheit einer Seele, die Maria mit ihren Tugenden geschmückt hat. Wie soll man erklären, dass dieser Schmuck den Herrn fasziniert, während er bei anderen Gelegenheiten die Nacktheit von Hand und Hals vorzieht? Liegt es etwa darin, dass der Geschmack des Herrn mehr auf den Schmuck anspricht, den man von anderen bekommt als auf den, den man sich selber verschafft?
e)
Buch 4,55:
Am Fest Allerheiligen dankt Gertrud unmittelbar vor der Kommunion dem Herrn:
„Indem sie dem Herrn für jede Art der Heiligen dankte und um Wachstum und Fortschritt der Kirche bat, erschien ihre Seele geschmückt in den Farben eines jeden Standes. Zuletzt dankte sie Gott für alle Seelen, die Gott lieben, da erschien ihre eigene Seele mit einem goldenen Umhang. Und so mit den verschiedenen Verdiensten der Kirche wunderbar geschmückt stand sie vor dem Angesicht des Herrn. Entzückt über ihre Schönheit (decore illius delectatus) sprach dieser zu allen Heiligen: ‚Schaut, wie sie im goldenen Kleid geschmückt dasteht!’ Er streckte den Arm aus, drückte sie an sich und stützte sie, so als könnte sie unter dem Ansturm der Freuden nicht mehr aufrecht stehen.“
Diese Handlung ist der vorigen sehr ähnlich. Wiederum ist der Herr entzückt (delectatus) über die Schönheit Gertruds, die hier die Kirche darstellt. Wie an Verkündigung des Herrn zieht er sie an sich und drückt sie an sein Herz.
Unser Rundgang zeigt deutlich, dass der Gesandte der göttlichen Liebe gleichsam ein Plädoyer für eine kirchliche Vorbereitung auf die sakramentale Kommunion abgibt. Daraus ergibt sich, dass er die Frage nach der Würdigkeit anders und mit anderer Hellsichtigkeit stellt als die Lehren der großen Scholastiker. Es geht nicht mehr darum, sich bei der Selbstprüfung lange aufzuhalten, sondern zu lernen, sich als Kirche zu sehen. Solange man „vor seinen Augen den Schleier seiner Unwürdigkeit tief herabgezogen hält, ist es unmöglich, die zarte Liebe Gottes (pietatem) zu erkennen“ (Buch 3,10). Durch ihren kirchlichen Sinn, den sie in der Feier der Liturgie erworben hat, wagt Gertrud, diesen Schleier zu heben und das Vertrauen (confidentia) zu predigen. Sie vermeidet damit die Gefahren der Selbstquälerei, die sich bei den Vorbereitungsübungen (praeparatoria) finden und tritt mit freiem Herzen als Kirche (in persona ecclesiae) vor den Herrn hin (Buch 4,16).
Liegt hier ein origineller Zug der Heiligen? Wir sind versucht, das zu glauben. Unsere Untersuchungen über die scholastische Theologie haben uns kaum weitergeführt als bis zum Schwanken zwischen Frucht und Liebe (timor et amor), wobei der Hintergrund der Kirche mehr am Rand der Kulissen des Einzelnen steht, als dass er ins Spiel kommt. Eine Seite des Exordium Magnum von Konrad von Eberbach steht mehr auf der Linie des Gesandten: Man sieht dort Bernhard, wie er einem seiner Söhne, der den Glauben an das Sakrament des Altares verloren hat, befiehlt, in der Kraft seines Glaubens zu kommunizieren.[11] Es ist jedoch noch ein weiter Weg zurückzulegen, um zu einer kirchlichen Vorbereitung zu gelangen, wie sie sich Gertrud vorstellt. Wenn man die großen Gestalten der weiblichen eucharistischen Bewegung des 13. Jahrhunderts befragt, würde man vielleicht – oder sogar wahrscheinlich – einen ähnlicheren Zugang zum Sakrament des Altares finden. In unserer Zeit zeigen die Meditation von Raniero Cantalamessa über die Eucharistie eine ziemliche Übereinstimmung mit der Botschaft des Gesandten, was die Vorbereitung auf die Kommunion betrifft. Dazu ein Beispiel:
„Wenn wir uns der Größe des Geheimnisses bewusst sind, das wir empfangen, das unsere Empfangfähigkeit bei Weitem übersteigt, so sind unsere Freunde im Himmel – Maria, die Engel und die Heiligen, die wir lieben – bereit, uns zu helfen, wenn wir sie darum bitten. Mit ihnen können wir sehr einfach sprechen, entschlossen, so wie der Mann, von dem das Evangelium spricht: Er muss in der Nacht einen Freund empfangen und hat nichts, um es ihm anzubieten. In dieser Situation scheut er sich nicht, einen bekannten Nachbarn aufzuwecken, um Brot auszuleihen (Vgl. Lk 11,5). Auch wir können von unseren vollkommenen himmlischen Anbetern ihre Reinheit, ihren Lobpreis, ihre Demut und ihre unendliche Dankbarkeit ausborgen, die sie Gott gegenüber empfinden, damit Jesus all das in uns findet, wenn er uns in der Kommunion besucht.[12]
Hier fühlt man sich in der Nähe des Gesandten, doch ist die Vision Gertruds noch weiter, denn sie stützt sich nicht bloß auf die Kirche des Himmels. Sie ist sich auf dem Weg zur sakramentalen Kommunion auch bewusst, mit den Gliedern der Kirche auf Erden einen einzigen Leib zu bilden, besonders mit den Schwestern der Gemeinschaft.
Vielleicht wundern sich manche, dass ein solches Referat dem Sakrament der Buße kaum Platz einräumt. Das geschieht deshalb, weil die seltenen Anspielungen darauf im Gesandten zeigen, dass die Vorbereitung auf die Kommunion bei Gertrud weit über die Frage hinausgeht, ob es möglich war zu beichten oder nicht (Buch 3,61; 4,7; 5,27). Mehr als durch das Bad der Beichte, das ihr ohne Zweifel an den Kommuniontagen selbstverständlich war, ist sich Gertrud bewusst, durch ihre Zugehörigkeit zur Kirche und die Feier der heiligen Geheimnisse die Schönheit der Braut anzulegen, um sich vertrauensvoll zur Begegnung mit ihrem Bräutigam zu begeben. Mit Schmuck bedeckt oder entblößt bis zur Nacktheit handelt sie nie ungehörig, denn sie weiß, dass der Herr letztlich von ihr nichts will, als „dass sie ganz leer zu ihm kommt und offen ist zu empfangen“ (Buch 4,26).
[1] Vgl. O. QUENARDEL, La Communion Eucharistique dans le Héraut de l’Amour Divin de sainte
Gertrude d’Helfta, Brepols 1997, 116-118.
[2] Vgl. H. MINGUET, Sainte Gertrude d’Helfta, Le Livre II du Héraut, Théologie d’un écrit
spirituel, Mémoire présenté à la faculté de théologie de Lyon, Juin 1987,
119 : „Beim Lesen des Gesandten darf der Leser nicht bloßer Zuschauer
bleiben. Er muss in die
Erfahrung Gertruds eintreten. Sie schafft ein Band der Solidarität zwischen ihr
und dem Leser und möchte den, der sie liest, in die gnadenhafte Beziehung, die
sie mit dem Herrn verbindet, hineinziehen. Ihre Vorgangsweise ist sehr
erstaunlich. Sie bleibt eine der originellsten Züge des Gesandten. Zweifelsohne will jedes
geschriebene Wort Beziehung stiften, doch ist man sonst so weit gegangen, dass
man aus einer Schrift ein Projekt zur Gemeinschaft und Solidarität in der Gnade
machte?“
[3] Vgl. O.QUENARDEL, a.a.O. 70 – 72.
[4] Eine ähnliche Vorgangsweise findet sich bei der hl. Therese vom Kinde Jesus. Vgl. ihre letzten Gespräche. Doch während sich die heilige Therese auf die Fürbitte der Heiligen des Himmels stützt, sucht Gertrud im vorliegenden Abschnitt Hilfe bei den „hier anwesenden Seelen“.
[5] THOMAS VON AQUIN, Summa Theologica Teil 3a, q.80, a.10, 3m.
[6] Eine Anmerkung kommentiert den folgenden Abschnitt so: „Der
Gesichtpunkt der Heiligen ist hier recht interessant. Er übersteigt weit die
private Frömmigkeit und nimmt einen deutlich kirchlichen Charakter an. Das
eucharistische Geheimnis wird jeden Tag der ganzen Kirche geschenkt, in globo. Die heilige Gertrud scheint
damit zu verbinden, dass jene, die an diesem Tag aus triftigen Gründen nicht
die Kommunion empfangen, dennoch in gewisser Weise daran teilhaben. Die aber,
die aus Nachlässigkeit fernbleiben, berauben sich dadurch der Frucht dieser
täglichen Eucharistie. (SC 255,
Anmerkung 1, 152-153)
[7] Pierre – Marie GY, La liturgie dans l’histoire Paris 1990, 255f.
[8] E. MARC und D: PICARD, L’interaction sociale, Paris 1989, 123f.
[9] Auch wenn das Wort Vertrauen (confidentia) hier nicht im Text steht, zielt dennoch die Lektion darauf hin.
[10] P. DOYERE bemerkt, dass der Gesandte den Tugenden ganz bestimmte Farben an die Seite stellt. „Sie sind nicht so ausgewählt, wie es ein Maler täte, um eine sichtbare Harmonie zu erzeugen, sondern wegen ihrer symbolischen Bedeutung. Weiß steht für die Unschuld, Reinheit, Zugehörigkeit zu Gott, die göttliche Vollkommenheit; rot für das vergossene Blut, das Leiden, die Passion, grün für die Lebenskraft, die Taten, Tugenden und die Kraft-, blau für die himmlischen Gedanken, Gold für die Liebe. Das Rosa kommt Christus zu, weil er das Weiß der verherrlichten Gottheit mit der leidenden Menschheit verbindet.“ (SC 139,28.)
[11] Exordium Magnum 2. Buch, Kapitel 6.
[12] R. CANTALAMESSE; L’Eucharistie, notre sanctification, Paris 1989, 59f.