Der Takt, die Aufmerksamkeit bei der Vorbereitung ruft nach dem Kon-takt der
Kommunion. In diesem Moment erreicht der Leib als ritualisierter Leib sein
Ziel. Die Leiber, die sich auf die Vereinigung vorbereitet haben, vollziehen
diese in der „Einverleibung“.[1] Durch eine liturgische Geste, die
Christus bis ans Ende seiner selbst führt, „wahrt er sein Gesicht“[2], indem er die Kirche sich
einverleibt. Er geht bis ans Ende der „Handlungslinie“, zu der ihn die
göttliche Liebe (divina pietas)
veranlasst, und „wahrt das Gesicht Gottes“, indem er das des Menschen wahrt.
Wenn sich der „ritualisierte Leib“ des Bräutigams und der Braut am Tisch der
Kommunion vereinen, findet der Ritus der Begegnung in der Eucharistie seine
vollkommene Erfüllung.
Welche Früchte dieser sakramentalen Vereinigung
preist der Gesandte der göttlichen Liebe?
Um sie festzustellen halten wir uns auch dieses Mal wieder möglichst an den
Wortlaut der Schrift selbst und achten zuerst auf das Beispiel der Beziehung,
die zwischen Jesus Christus und Gertrud von Helfta besteht. Danach werden wir versuchen, sie unabhängig
von den unmittelbar betroffenen „Darstellern“ ins Licht zu stellen. Wir werden
danach forschen, was durch das Verhalten Gertruds bei der Kommunion mit dem
Leib und Blut Christi ausgedrückt wird. Auf diese Weise werden wir veranlasst,
zwei Wirkungen der eucharistischen Kommunion zu unterscheiden: Die eine ist
„heilbringend und eschatologisch“ und entfaltet und verdeutlicht die Motive der
Ermutigung zur Kommunion, von denen wir bereits gesprochen haben. Die andere
ist „kirchlich“, wobei die Rolle des Sakraments, verstanden im Sinn von
Bonaventura als Sakrament der Vereinigung (sacramentum
unionis), darin besteht, „jene, die bereits vereint sind, noch mehr zu
vereinen (mit Christus und seinen Gliedern)“[3]. Die erste Wirkung entspricht zum
Teil dem, was der hl. Thomas den „bezeichneten und enthaltenen Inhalt“ (res significata et contenta) nennt, die
zweite teilweise dem, was er als „bezeichneten und nicht enthaltenen Inhalt“ (res significata et non contenta)
bezeichnet.[4]
Unter allen Bezeichnungen, die Gertrud im Gesandten für das Sakrament (sacramentum) verwendet, ist ihr „lebensspendend“ am liebsten.[5] Es ist schwer festzustellen, ob sie
dieses Wort der Tradition entnimmt oder ob sie es selbst so formuliert. Dieses
Wort kommt beim hl. Thomas praktisch nicht vor. Allerdings findet man im eucharistischen
Traktat der Summa theologica einen Verweis auf den hl. Cyrill, in dem eine sehr
ähnliche Form gebraucht wird: „belebend“ (vivificativum),
und zwar genau, um die Wirkung des Sakraments zu umschreiben, ausgehend vom
„bezeichneten und enthaltenen Inhalt“ (res
significata et contenta). „Das belebende Wort Gottes (vivificativum Dei Verbum) macht das Fleisch, mit dem es sich
vereinigt, seinerseits lebendig (vivificativam).
Es war deshalb angemessen, dass er sich in gewisser Weise durch sein heiliges Fleisch
und sein kostbares Blut mit unserem Leib
vereint, die wir ihn in Brot und Wein als „lebendigen“ (vivificativum) Segen empfangen.“[6] Genau in diesem Sinn müssen wir das
„lebensspendende Sakrament“ (vivificum
sacramentum) im Gesandten verstehen. Wenn Gertrud es empfängt, lebt sie und
lebt sie wieder auf aus der göttlich-menschlichen Kraft Jesu Christi (a virtute humanitatis simul et divinitatis
Buch 3,18), „wie eine vertrocknete Pflanze, die bei einem wohltuenden Regen
wieder aufblüht.“ (Buch 4,39)
Die Eucharistie, das „lebensspendende
Sakrament“ (vivificum sacramentum) –
so lehrt der hl. Thomas – „hat Wirkungen, die denen der „irdischen Nahrung und
den irdischen Getränken hinsichtlich des natürlichen Lebens gleichen: es erhält, kräftigt, stellt wieder
her und erfreut – all das wirkt dieses Sakrament hinsichtlich des geistlichen
Lebens.“[7] Ohne diese Lehre anzuzweifeln zeigt
die eucharistische Lehre[8] des Gesandten, dass bei Gertrud das Erfreuen die anderen Wohltaten der
Stärkung bei weitem überragt. Der
Aspekt, dass die Eucharistie wieder herstellt, verstanden als Heilmittel gegen
Sünden und Nachlässigkeiten, fehlt im Gegenteil fast gänzlich im Gesandten: Er klingt nur dreimal bei der Wandlung (Buch 3,14, 4,39, 4,40) und
zweimal bei der Kommunion (Buch 4,23 und 4,28) an. Kommt das daher, dass die
Reinigung von den Sünden und Nachlässigkeiten ihren Platz eher bei der
„Vorbereitung“ und im Besonderen im „Bad der Beichte“ hat, die – auch wenn der Gesandte darauf nur sehr selten anspielt
– sicher an den Kommuniontagen bei den Nonnen von Helfta gebräuchlich war (Buch
3,14)? Die Darstellung der sieben Sakramente in Buch 3,60 scheint diese
Sichtweise zu bestätigen, da dort der heilende Aspekt der Sakramente nur beim
Sakrament der Buße genannt wird, das die Sünde tilgt. Das führt zu einer Sicht
des Sakramentes, die mehr auf das schon gesetzte Ziel ausgerichtet ist als auf
die Mittel, die dorthin führen. Das erklärt auch die apokalyptische,
eschatologische, ja „surrealistische“ Sprechweise Gertruds, die im Gegenwärtigen
der Liturgie schon die Zukunft schaut. Das ist aber auch nicht ohne Folgen für
das Ausstrahlen des sakramentalen Lebens bis in den Leib hinein (Buch 3,12,
3,50, 4,55)[9]. So vermeidet sie ein
Auseinanderklaffen zwischen der eigentliche geistlichen und der leiblichen
Dimension des Menschen.
26 Textabschnitte mit eucharistischem Thema
stellen die sakramentale Kommunion als eine Erfahrung dar, die Freude und Wonne
schenkt. Das ist eine eindrucksvolle Illustration der Aussage Gertruds seit dem
2. Kapitel ihres Mémorials: „Ich erinnere mich nicht, diese Gnaden (der
Vereinigung und der inneren Freude) außerhalb der Tage verkostet zu haben (fruitionem), an denen du mich an deinen
königlichen Tisch geladen hast“ (Buch 2,2). Gleich nach dem Bericht über ihre
Bekehrung wird der Leser also zum eucharistischen Tisch mitgenommen, der ein
bevorzugter Ort für das Offenbarwerden der Liebe (pietas) ist. Zu Beginn des Gesandten
stößt man auf die sakramentale Kommunion unter dem Gesichtspunkt des
„Verkostens“. Gertrud geht nicht mehr dahinter zurück. Bis zu den letzten
Kapiteln des 5. Buches übt der eucharistische Tisch auf sie eine
Anziehungskraft aus, die nie in Abrede gestellt wird. Verkosten der Szene an
den Kommuniontagen und Verkosten der Kulissen an den Tagen der Enthaltung
werden ihr gnadenhaft gewährt, um in ihr die wunderbaren Freuden der
Vereinigung mit Gott zu erneuern.
Es gibt aber noch mehr – und darin entfernt sich der theologische Ansatz einer heiligen Gertrud neuerlich von dem des hl. Thomas. Solange das „Verkosten“ als eine mögliche Wirkung der Kommunion im Menschen gesehen wird, bleibt der Gesandte der Summa nahe. Das gilt nicht auf gleiche Weise, wenn er die Wirkung der Kommunion in Jesus Christus selbst betrachtet. Wenn er sich von der Summa entfernt, so nähert er sich der eigentlichen Offenbarung, besonders ihren „ästhetischem“ Aspekt[10]. Was dient es dem Menschen, von Gott mit Freude erfüllt zu werden, wenn Gott selbst durch den Menschen nicht mit Freude erfüllt wird? Wenn Gott der Menschheit gegenüber gleichgültig ist, warum ist er dann als Mensch erschienen? Warum hat er Fleisch angenommen? Warum hat er es sich ausgesucht, unter den sakramentalen Gestalten auf der Bühne zu bleiben, statt den Menschen aufzufordern, ihn von nun an jenseits der Welt und jenseits des Leibes zu suchen, in den Kulissen der Abwesenheit? Auf alle diese existentiellen Fragen gibt der Gesandte keine andere Antwort als die Offenbarung selbst: Gottes Freude ist es, bei den Menschenkindern zu wohnen (Spr 8,31 zitiert in Buch 3,18 und 3,77). Das spekulative Denken kann sich mit dieser Antwort nur zufrieden geben, wenn es kontemplatives Denken wird. Der Leser des Gesandten sollte auf kluge Erklärungen der menschlichen Weisheit verzichten und wie Gertrud selbst die heilige „Verrücktheit“ der Liebe Gottes (pietas Dei) kennen lernen, von der nun einige Beispiel folgen:
a)
Buch 3,18:
An einem Kommuniontag erklärt der Herr Gertrud:
„ ‚Du sollst wissen, dass ich aus ganzem Herzen nach dir verlange’. Sie sagte darauf: ‚Aber mein Herr, wie kann deine Gottheit dadurch erfreut und verherrlicht werden, dass ich mit meinen unwürdigen Zähnen dein makelloses Sakrament zermahle?’ Der Herr antwortete: ‚Die Liebe in meinem Herzen bewirkt, dass die Worte meines Freundes mich erfreuen, aber sie bewirkt ebenso, dass ich durch Dinge erfreut werde, die meinen Auserwählten wenig geeignet erscheinen.’“
Festzustellen ist das Vokabular der Sehnsucht und der Freude (delectatio), verbunden mit sakramentaler Sinnlichkeit, weit entfernt von der Irrlehre Berengars. Muss man also alles den Anthropomorphismen zuschreiben? Die hier angesprochene Sehnsucht, ist sie nicht von derselben Ordnung wie jene, die Jesus bei dem Wort an die Jünger ausdrückt: „Sehnsüchtig habe ich danach verlangt, dieses Pascha mit euch zu essen, bevor ich leide“ (Lk 22,15)? Und ist die Freude (delectatio) von derselben Ordnung wie in dem Wort, dass es die Freude Gottes ist, bei den Menschenkindern zu wohnen? In beiden Fällen ist Gott selbst betroffen und entscheidet sich dafür, es zu sein. Zu seiner Verherrlichung und Freude macht er den Menschen anziehend und erfreulich für ihn. Das geht so weit, dass er sich in sakramentaler Weise in ihn hinein hinschenkt.
b)
Buch 3,50:
Der Titel des Kapitels ist sehr bezeichnend: “Was an der Seele die Sinne des Herrn erfreut“ (De delectatione sensuum Domini in anima). Es bringt einen Dialog zwischen Gertrud und dem Herrn an einem Kommuniontag:
„ ‚Du gütige
Liebe’, (sagt Gertrud) ‚was kannst du
an mir finden, dass du durch mich allein vor aller Kreatur erfreut wirst (delecteris)?’ Der Herr antwortet: ‚Mein
göttlicher Blick freut sich unaussprechlich (inaestimabili modo delectatur), dich anzusehen, weil du mir
angenehm geworden bist durch die vielfältigen Gnaden, die ich so oft in dir
gewirkt habe. Für mein göttliches Ohr sind (afficitur)
alle Worte deines Mundes wie bezaubernde Musik, wenn du entweder für die
Sünder oder für die Seelen im Fegefeuer betest, wenn du Menschen korrigierst
und belehrst oder wenn du bei anderer Gelegenheit Worte zu meinem Ruhm und zu
meiner Ehre sprichst. Selbst wenn kein Mensch aus all dem Nutzen zöge oder
irgend einen Vorteil, so klingt es allein durch deinen guten Willen und durch
deine auf mich gerichtete Zuneigung wie Musik in meinen Ohren, und es bewegt
das Innerste meines göttlichen Herzens. Deine Hoffnung, in der du immerfort
nach mir verlangst, dringt zu mir wie der köstlichste Wohlgeruch (suavissimi odoris delectamentum) und
all deine Seufzer, deine Sehnsucht sind mir köstlicher als alle Balsamdüfte (dulciter sapiunt). Deine Liebe aber
erfreut mich durch die zärtlichste
aller Umarmungen (delectamentum
suavissimi amplexus)’.“
Gibt es eine bessere Art und Weise, das Geschöpf zu ehren, als zu zeigen, dass der Schöpfer es mit Freude betrachtet? Und was noch mehr ist, er betrachtet es, indem er die Sinne einsetzt. Christus, der Herr, hat nichts von der Sinnenhaftigkeit Jesu von Nazareth verloren. Er hat sie im Gegenteil vollendet, indem er sie durch seinen Ostersieg verwandelte. Einen „Gedanken“ von Pascal weiterführend könnte man sagen, dass Christus in der Eucharistie, seinem österlichen Sakrament, den Menschen für immer dem Herzen Gottes nahe bringt und Gott dem Herzen des Menschen[11]. Das Verkosten des Menschen und die Freude Gottes bilden dabei in ihm eine Einheit.
c)
Buch 4,36:
An Christi Himmelfahrt bemüht sich Gertrud, „ihre ganze Aufmerksamkeit darauf zu richten, wie sie dem Herrn bei seiner Himmelfahrt um die neunte Stunde ihre zärtliche Liebe zeigen könnte, und das mit dem Einsatz aller ihrer Kräfte“. Der Herr sagte zu ihr:
„Alle Zärtlichkeit, die du mir zur Stunde meiner Himmelfahrt erweisen willst, erweise mir jetzt schon. Denn die überwältigenden Freuden meiner Himmelfahrt werden dadurch neu, dass ich zu dir kommen werde im lebensspendenden Sakrament des Altares.“
Eine Anmerkung der Sources Chrétiennes schreibt dazu: „Die Eucharistie erneuert als Ganze das Ostergeheimnis. Der Herr erlebt sozusagen die Freuden seiner Himmelfahrt neu in der sakramentalen Begegnung.“[12]
Andere Seiten des Gesandten, die bereits zitiert wurden, fügen sich diesen an, um die Freude (delectatio) des Herrn in der sakramentalen Kommunion zu zeigen: Das Gleichnis vom Königssohn in 3,77 und das vom Bräutigam, der nach der Umarmung und dem Kuss der Braut verlangt in 5,28 gehören zu den ausdrucksstärksten. Es wird interessant sein, sich mit ihnen zu beschäftigen.
Die
eucharistische Ausrichtung des Gesandten
und seine Sprache führen uns jetzt dazu, die Mystik Gertruds in ihrer
Sinnenhaftigkeit zu untersuchen. Andere haben es bereits vor uns getan. Pierre
Doyère hat insbesondere gezeigt, wie „das geistliche und mystische Leben der
heiligen Gertrud wesenhaft christologisch und im Blick auf die Menschwerdung
gelebt wurde. Das lädt die Theologen ein, nach einer Erklärung der geistlichen
Sinne zu suchen, die sich etwas von der Unterscheidung des Origenes
unterscheidet, was die Struktur der Seele betrifft. Sie regt an, an eine
harmonische Osmose zwischen der Tätigkeit der körperlichen Sinne und der
Erkenntnis des Unsichtbaren in der Einheit zu denken, die der Mensch letztlich
ist. Das würde uns erlauben, auf die Verschiedenheit der körperlichen Sinne selbst
eine Verschiedenheit in der Wahrnehmung des Göttlichen aufzubauen, wie es die
Lehre von den geistlichen Sinnen eigens vorsieht.“[13]
Ohne uns auf diese Untersuchung einlassen zu
wollen, wollen wir in Anbetracht der bisher gemachten Überlegung die Aufmerksamkeit
auf das lenken, was man als die eucharistische Struktur der Wirklichkeit im Gesandten bezeichnen könnte. Es bleibt
kein Zweifel offen, dass die Sinnenhaftigkeit Gertruds ebenso wie die des Herrn
nur an den Kommuniontagen voll zufriedengestellt wird. Das heißt für Gertrud,
dass jeder ihrer Sinne seine Nahrung in der Eucharistie findet, aber nach einer
Ordnung, die sich mit dem Ablauf der Feier vermählt. Alle Sinne werden
eingeladen, sich in der Gegenwart des Geheimnisses zu regen (emovere), doch öffnet es sich nicht für
alle gleichzeitig. Sie treten nicht alle gemeinsam in Szene. Hier muss man an
eine Lektion erinnern, die die Heilige an einem Kommuniontag vom Herrn erhalten
hat:
„Ein anderes Mal wünschte sie
während der Austeilung des Sakraments von Herzen, die Hostie zu sehen, sie
wurde aber durch die herantretenden Schwestern daran gehindert. Da merkte sie,
dass sie der Herr leise rief und zu ihr sagte:
Zwischen uns ist ein geheimer Austausch, den solche nicht verstehen
können, die mir fern bleiben. Du aber sollst die Freude haben, ihn kennen zu
lernen. Komm als näher und erfahre – nicht durch das Schauen, sondern durch das
Verkosten (non videndo sed gustando) – die
Eigenart dieses verborgenen Mannas.“ (Buch 3,18)
Die Lektion dieses Abschnittes lässt erkennen,
dass sich die verborgene Süßigkeit (suave
secretum) der Eucharistie mehr an den Geschmacksinn als an den Gesichtssinn
(non videndo sed gustando) richtet.
Pierre Doyère scheint diese Handlungslinie der sakramentalen Liebe (pietas) nicht wahrgenommen zu haben,
die, ohne ausdrücklich dargelegt zu werden, unterschwellig den ganzen Gesandten prägt. Er bemerkt, dass „der
Tastsinn der wichtigste Sinn für die mystische Vermählung ist“ und machte sich
dadurch auf einen Weg, der ihm erlaubt, den Geschmacksinn in besonderer Weise
als das innere Tasten zu betrachten. Das „verborgene Manna“ lässt sich aber
nicht ertasten, es lässt sich verkosten. Im wiederkäuenden Betrachten der
Bilder (Buch 2,24) teilt es wie beim Kauen des Sakraments (Buch 3,18) seine verborgene
Süßigkeit (suave secretum) nur dem
mit, der es verkosten kann.
Diese Lektion bezüglich der Sinne findet sich
meiner Ansicht nach im ganzen Gesandten,
man könnte in der eucharistischen Erfahrung der heiligen Gertrud – die keine
andere ist als die eucharistische Erfahrung der Kirche selbst – die symbolische
Zusammenfassung der ganzen apostolischen Erfahrung entdecken. Man kann ja
tatsächlich sagen, dass sich das öffentliche Wirken Jesu bei seinen Jüngern
zuerst an ihre Augen und Ohren gerichtet hat, bevor es sich an ihre Hände und
ihren Mund wandte. Bevor die Jünger zu hören bekamen: „Nehmet und esset, das
ist mein Leib“, bekamen sie zu hören: „Kommt und seht!“ In der christlichen
Pädagogik kommen wie in der Hinführung zur Eucharistie das Sehen und Hören vor
dem Berühren und Essen. Das Wort, das sich hören (Wortgottesdienst) und sehen
lässt als Sakrament des Bundes (Erhebung nach der Wandlung) lässt sich von der
Kirche, der Ecclesia, erst im Moment
der Kommunion als lebensspendendes Sakrament (vivificum sacramentum) ergreifen und essen. Oder um es anders zu
sagen: Man muss dem „Folge mir nach!“ der ersten Stunde treu sein, dem der
äußeren Sinne (exteriora) (Ohr und
Auge), wie es die Jünger waren, die alles verlassen haben und Jesus nachgefolgt
sind, um zum „Folge mir nach“ der letzten Stunde zu gelangen, jenem der inneren
Sinne (interiora), bei dem der
Gehorsam der Jünger so weit geht, dass sie den Leib nehmen und dorthin bringen,
wo der Meister seine Wohnung aufschlagen will: Im Inneren des Menschen, durch
den Akt des Essens bei der Eucharistiefeier. Die weite Umarmung des Schauens
muss durch die enge Umschlingung des Essens gehen, damit der Mensch Gott so
sehen kann, wie Gott gesehen werden möchte. Die Erfahrung der Apostel und die
Erfahrung der Eucharistie treffen sich hier in der Erfahrung jeder Liebe,
wie Jesus Gertrud zu eröffnen wagt:
„Wenn man einander ganz nahe ist, so
führt dies manchmal dazu, dass Freunde
einander weniger gut sehen, zum Beispiel, wenn sie miteinander vereint sind wie
bei einer Umarmung oder beim Kuss. In diesen Augenblicken müssen sie auf die
Freude verzichten, einander zu sehen.“ (Buch 1,17)
Ich möchte das Gesagte so kommentieren: Je mehr
die Liebe vereint, desto näher bringt sie die Liebenden zueinander. Und je weniger
sie einander sehen, desto mehr verkosten sie einander. Die Logik dieser
sinnenhaften und apostolischen Pädagogik, die nicht ohne Bezug zur Hinführung
zum Glauben ist, führt dazu, dass der Mensch für Gott verfügbar gemacht wird
wie Maria. Das ist das letzte Ziel der Liebe Gottes (pietas Dei): die ganze
Kirche und jedes ihrer Glieder zu einem Tempel zu machen, in dem Gott seine
Freude findet.
Wenn der Leser des Gesandten nicht in seiner
Aufmerksamkeit nachlässt, wenn er sich willig auf das Spiel der Bilder der
Liebe Gottes (pietas Dei) einlässt,
so begreift er, dass die ganze Dynamik der Eucharistiefeier, die hier gelehrt
wird, darauf zielt und dahin führt, dem Menschen seine wirkliche Gestalt zu
geben: Maria, die im Fleisch dem Wort Gottes ihre Zustimmung gibt, soweit, dass
es in ihr Fleisch werden kann, damit die Welt dadurch gerettet wird und das Lob
Gottes verkündet. Es gibt eine vollkommene Kontinuität zwischen dem Geheimnis
Mariens, die in ihrem Fleisch das Wort Gottes empfängt, und dem Geheimnis der
Kirche, die im Sakrament das Fleisch gewordene Wort empfängt. Die eine wie die
andere öffnet sich vorbehaltlos der überströmenden Liebe (pietas), die das Gesicht Gottes wahrt im Fleisch der Welt. Das Amen
der Kirche im Augenblick der Kommunion ist das treue Echo des Fiat Mariens am
Tag der Verkündigung. Das Wort, das durch die Kraft des heiligen Geistes in den
Leib der Unbefleckten eingetreten ist, ist dasselbe, das sich im Sakrament
seines Leibes und Blutes die Kirche der Getauften einverleibt. Es möchte von
nun an im Herzen der Welt sein, wie es für immer im Herzen Mariens sein wollte.
Diese königliche Inthronisation des
Gottessohnes, die Maria in sich vollkommen darstellt, sah Gertrud im Augenblick
der Kommunion in ihrem Herzen. Es ist kein Zufall, wenn der Gesandte dasselbe Bild verwendet, um den
strahlenden Glanz des einzigen Sohnes des Vaters zu zeigen, der seine Freude im
unbefleckten Herzen seiner jungfräulichen Mutter findet (Buch 4,3), und um das wunderbare
Strahlen Jesu Christi im Herzen und in der Seele seiner geliebten Gertrud im
Augenblick der Kommunion auszudrücken (Buch 3,18, Buch 3,37). Die Jungfrau von
Helfta und die von Nazareth sind die eine wie die andere sehr klarer Kristall,
der das Gold umschließt, das den Gottessohn symbolisiert. Daraus entspringen
durch „wunderbare und beglückende Wirkungen, die alle Vorstellungen
übersteigen“ (Buch 3,37) die wunderbaren Freuden, die die anbetungswürdige
Dreifaltigkeit und alle Heiligen erquicken (Buch 3,18, 3,37). Die Mitteilung
der Früchte dieses Freudenfestes betrifft den ganzen mystischen Leib (Buch
3,18). Die Nonne ist hier am eucharistischen Herzen auf dem Gipfel ihrer
Mission. Zwischen ihr und Maria gibt es nicht mehr bloß eine Ähnlichkeit durch
Nachahmung. Es gibt eine Ähnlichkeit durch dieselbe Wirkung. Die eine wie die
andere werden durch das Hineingenommensein in dasselbe Geheimnis von der
Eucharistie verwandelt. Die ganze Kirche (ecclesia),
deren Urbild Maria ist, bekommt in Gertrud eine neue Gestalt, wie ihr der
Herr an einem Kommuniontag selber versichert:
„Ich schenke mich dir ganz, mit der ganzen Kraft meiner
Gottheit, wie am Tag, da mich meine jungfräuliche Mutter geboren hat.“ (Buch
3,36)
Der Herr hatte auch bereits eine Person aus der
Umgebung Gertruds wissen lassen:
„Nirgends auf Erden könntest du
meine Liebe stärker erfahren als im Sakrament des Altares und in gleicher Weise
im Herzen und in der Seele dieser meiner Geliebten, in denen mein göttliches
Herz all seine Freude (totum delectamentum)
findet.“ (Buch 1,3)
Jesus weiß tatsächlich, dass er über dieses
Herz, das zugleich marianisch und kirchlich ist, nach seinem Belieben verfügen
kann wie über ein Gefäß, das er jeden Augenblick erfüllen und leeren kann
zugunsten eines jeden, wie es ihm eben gefällt (Buch 3,30). Die Heilige hat es
ihm „in aller Freiheit“ (Buch 3,30) an dem Tag angeboten, an der er ihr sagte:
„ ‚Meine Geliebte, gib mir dein
Herz!’ Als sie es mit Freude getan hatte schien es ihr, als ob der Herr es wie
einen Kanal (in similitudine canalis) an
sein Herz anschlösse, um so die Erde zu erreichen und die Fluten seiner Liebe
ohne Maß über sie auszugießen (per quod
emissiones suae incontinentis pietatis large diffundebat). Dabei sprach er:
‚Von nun an habe ich die Freude (delector), dein Herz immer wie einen
Kanal zu benützen, durch den ich an alle die Überfülle der Gnaden, die aus
meinem Herzen hervorsprudeln (larga fluenta de torrente melliflui Cordis
mei profundam), in beglückender Weise austeilen werde, die sich bereit
machen, von diesem Strahl zu empfangen, indem sie sich mit Demut und Vertrauen
an dich wenden.“ (Buch 3,66).[14]
Man könnte viel zu dieser Seite sagen. Halten
wir für die weitere Abhandlung das reiche Vokabular des „Strömens“ fest. Wir
wissen bereits, dass der Gesandte aus
ihm die grundlegenden Bilder schöpft, um die Offenbarung der göttlichen Liebe (divina pietas) zu kennzeichnen. Durch
das Spiel dieser Bilder führt er uns jetzt zur Betrachtung der Wirkung der
Kommunion mit dem lebensspendenden Sakrament in der Kirche.
Die Deutung der Eucharistie von Bonaventura als
„Sakrament der Vereinigung“ (sacramentum
unionis) kommt zwar im Gesandten
nicht vor, sie steht aber dem „lebensspendenden Sakrament“ (sacramentum vivificum) von Gertrud
sicher näher als der augustinische Ausdruck des „Sakraments der Einheit“ (sacramentum unitatis).[15]
Für sie ist wie für Bonaventura die Vereinigung mit den Gliedern Christi
eine Folge der Vereinigung mit Christus selbst. Mehrere Vergleiche im Gesandten weisen darauf hin. Wir stellen
hier jene vor, die am deutlichsten sind:
1. DER
BAUM DER DREIFALTIGKEIT (Buch 3,18)
Dieser lange Textabschnitt hat den Vorteil, in Form
eines Gleichnisses eine gesamte Eucharistiefeier darzustellen, wie sie Gertrud
an einem Kommuniontag feiert. Man kann unterscheiden:
„Als sie den Leib Christi empfangen
hatte, sah sie ihre Seele gleich einem Baum, der in der verwundeten Seele
Christi wurzelt. Ausgehend von der Wurzel und durch die Wurzel hin in die
Zweige, Blätter und Früchte wurde ihre Seele durchdrungen von der Kraft der
Gottheit und der Menschheit. So
erschien ihr die Frucht ihres ganzen bisherigen Lebens in neuem Glanz,
wie Gold durch Kristall leuchtet.“
„Die Heiligste Dreifaltigkeit und
alle Heiligen waren darüber hoch erfreut. Sie erhoben sich ehrfürchtig und
brachten dann mit gebeugten Knien einzeln ihre Verdienste dar in Gestalt von
Kronen, die sie an die Zweige des Baumes hängten, zum Lob und Ruhm dessen, der
diese Seele zur Freude aller Himmlischen leuchten ließ. Da bat sie den Herrn,
an den Früchten, die seine göttliche Güte ihr geschenkt hatte, solle er allen
Anteil geben im Himmel, auf der Erde und im Fegefeuer, da sie selbst aus
Nachlässigkeit für diese Seelen so wenig Gutes erwirke. Da begannen die
einzelnen Früchte – ein Sinnbild für die guten Werke – einen köstlichen Saft
abzugeben: ein Teil floss den Himmlischen zu und vermehrte deren Freude, der
andere Teil floss zu den Seelen im Fegefeuer und minderte deren Qualen, der
dritte Teil floss zur Erde, er mehrte bei den Gerechten die Freuden der Gnade
und bei den Sündern die bittere Reue.“
Die Geschichte dieser kleinen Pflanze, die zu
einem großen Baum wurde, ist in mehr als einer Hinsicht interesssant:
2. DIE
GRÜNEN UND BLÜHENDEN ZWEIGE (Buch 4,39)
Dieser Textabschnitt gibt eine eucharistische
Begegnung am Pfingstmontag wieder. Der Bericht beginnt bei der Erhebung der
Hostie, bei der Gertrud sieht, dass „die heilbringende Hostie jede Art
wunderbare Zweige hervorwachsen ließ. Der Heilige Geist scheint sie
aufzusammeln und aus ihnen einen Kranz zu machen um den Thron der
verehrungswürdigen Dreifaltigkeit. Die von der Hostie hervorgebrachten Zweige
bringen zum Ausdruck, wie sie versteht, dass alle ihre Nachlässigkeiten durch
das erhabene Sakrament auf das Vollkommenste ergänzt worden waren.“ (Buch 4,39)
Die dramatische Inszenierung der Berichte steigert sich noch im Augenblick der
Kommunion:
„Als sie zur Kommunion ging, erhoben
sich alle Heiligen voll Freude, Die Verdienste aller strahlten auf wunderbare
Weise vom Glanz der göttlichen Klarheit wieder, so wie der Schild der Soldaten
von den Strahlen der Sonn erglänzt. Aus diesem Glanz strahlten die Verdienste
der einzelnen Heiligen ein liebliches Licht in ihre Seele zurück. Sie stand vor
dem Herrn, wie in Erwartung, denn sie war noch nicht zum Intimität der
Vereinigung zugelassen worden. Doch als sie das Sakrament empfangen hatte, war
ihre Seele so selig (plena fruitione) mit
dem Geliebten vereint, wie es in diesem Leben möglich ist. Die erwähnten
Zweige, mit denen der Heilige Geist den Thron der allerheiligsten
Dreifaltigkeit umgab, begannen sich plötzlich zu beleben und zu erblühen, wie
eine ermattete Pflanze durch einen wohltuenden Regen neu erblüht. Dadurch wurde
die ewig in sich ruhende Dreifaltigkeit in unaussprechlicher Weise erfreut (inaestimabili modo delectata), und sie
schenkte allen Heiligen neue und beglückende Seligkeit.“ (Buch 4,39)
Dieses Gleichnis ist eine Variation des vorhergehenden:
Wiederum geht es um ein Bild von Pflanzen und vom Fließen. Bemerkenswert ist
die Verbindung zwischen Wandlung und Kommunion: die erste findet ihre
Vollendung in der zweiten. Das kommt dadurch zum Ausdruck, dass die Zweige, die
bei der Wandlung zum Vorschein kamen, im Augenblick der Kommunion zu grünen und
blühen begannen. Besondere Aufmerksamkeit verdient die kirchliche Inszenierung
der Kommunion: sie klingt bereits an in
den Gedanken Gertruds, die den Gesang des Agnus
Dei begleiten (von denen das erste für die Kirche auf Erden, das zweite für
die Verstorbenen und das dritte für die Heiligen gesungen wird) und tritt ins
volle Licht, als die „Hauptdarstellerin“ zur Kommunion geht. Alle Heiligen
lassen da ihre Verdienste über sie erstrahlen. Der Augenblick der Kommunion
selbst ist wie ein Schnappschuss mit dem Vokabular des Verkostens (fruitio), das uns schon vertraut ist.
Und die Wirkung dieser Kommunion „überschwemmt“ (inundantiam pluviae salutaris) die heiligste Dreifaltigkeit mit
unaussprechlichen Freuden (inaestimimabili
modo delectata), und alle Heiligen mit einer neuen beglückenden Seligkeit (novae jucunditatis delectamenta).
3. DER
BESUCH DES KÖNIGS BEI DER KÖNIGIN (Buch 3,18)
Hier ist die kirchliche Wirkung, über die der
Herr Gertrud belehrt, in einen zugleich königlichen und bräutlichen Kontext
gestellt:
„Zu einem König, der in seinem
Palast wohnt, erlangt kaum jemand Zutritt. Möchte er aber, von Liebe getrieben,
die Königin besuchen, die in der Nachbarschaft wohnt (cum amore reginae prope habitantis devictus), so verlässt er
seinen Palast. Dann ist es für alle Bürger und Bewohner der Stadt viel
leichter, anlässlich dieses Besuches bei der Königin die Großzügigkeit und
Freigebigkeit des Königs zu erfahren und seine Hilfe zu erlangen. Immer wenn
ich mich im lebensspendenden Sakrament des Altares, von Liebe getrieben (dulcedine cordis mei convictus) zu
einer Seele, die ohne Todsünde ist, hinabneige, erlangen alle Bewohner des
Himmels und der Erde und alle Seelen im Fegefeuer Wohltaten in Fülle.“
Dieser Textabschnitt bestätigt die
vorhergehenden: Es gibt dieselbe Aufteilung des Kosmos (in Himmel, Erde und
Fegefeuer), um den Einflussbereich des Sakramentenempfanges abzustecken. Die
Worte „getrieben“ („devictus“ oder
„convictus“) rufen uns in Gedächtnis, dass Gott sich von der Liebe
„besiegen“ lässt. Die Bedeutung dieses Themas konnten wir schon früher
feststellen, als wir das sprachliche Umfeld der pietas studiert haben.
4. DAS
ÜBERAUS KOSTBARE ELECTRUM ( Buch
3,10)
Dieser Textabschnitt wurde bereits vorgestellt,
als wir über die Gründe gesprochen haben, der sakramentalen Kommunion fern zu
bleiben. Wiederum stellen wir die Bedeutung der Themen des Strömens und des
Verkostens fest. Der Herr verspricht Gertrud bei der Kommunion das Verkosten
seiner beglückenden Zärtlichkeit (amicissima
dulcedine mea fruereris) und dass sie „unter der Glut seiner Gottheit
gleichsam flüssig werden wird“ (ex
fervore divinitatis meae liquefacta). Sie wird sich in ihn verströmen, „wie
sich Gold und Silber miteinander verbinden. Daraus wird das überaus kostbare Electrum, das es verdient, mit ewigem
Lobpreis dem Vater dargebracht zu werden, wodurch alle Heiligen noch
„zusätzlich eine vollkommene Belohnung erlangen“.
Auch andere Textabschnittes des Gesandten zeigen, dass Gertrud Freude
daran hat, den Kommunionempfang manchmal auf die eine oder andere Gruppe von
Heiligen zu beziehen, mit deren Verdiensten sie bekleidet worden ist. Das
geschieht zum Beispiel bei Maria am Fest ihrer Aufnahme (Buch 4,48), mit dem
hl. Jakobus (Buch 4,47) und der hl. Agnes (Buch 4,53). In jedem dieser Fälle
opfert Gertrud dem Herrn das lebensspendende Sakrament (vivificum sacramentum) zum ewigen Lobpreis und zur Vermehrung der
Freude, Herrlichkeit und Seligkeit des Heiligen (oder der Heiligen) auf, deren
Fest begangen wird. Die lateinische Formel dafür lautet ungefähr so: in laudem aeternam et in augmentum gaudii et
gloriae et beatitudinis (ipsorum). Bisweilen hat diese „Vermehrung“ (augmentum) die Verdienste der Heiligen selbst
im Blick. So sieht sie eines Tages am Fest der Apostel Petrus und Paulus voll
Überraschung, dass ihre Kommunion etwas zu den Verdiensten dieser großen
Kirchenfürsten hinzugefügt hat (de
virtute communionis videbatur meritum sanctorum augmentari Buch 4,44)[16] und lässt sich vom Herrn durch
folgenden Vergleich belehren:
„Es ist für die Königin eine voll
ausreichende Ehre, mit dem König vereint zu sein, und dennoch empfindet sie am
Hochzeitstag noch viel mehr Stolz und Freude. Ebenso nehmen alle Heiligen am
Glück einer Seele teil, die andächtig das Sakrament des Altares empfängt.“
(Buch 4,44)
Der kirchliche Bezug der Kommunion beschränkt
sich bei Gertrud nicht auf die Himmelsbewohner. Er erstreckt sich auch auf die
Erde und das Fegefeuer, wie die drei Vergleiche bestätigen, die wir betrachtet
haben. Übrigens versichert dies Jesus selbst mehrmals seiner Geliebten. So in
Buch 3,18, als sie „mit der großen Sehnsucht, vom Herrn selbst vorbereitet zu
werden“ zur Kommunion ging. Der Herr ließ sie folgende tröstliche Worte hören:
„In dir bin ich so bekleidet, dass
ich meine göttliche Hand auch gegen die Dornen der Sünder ausstrecken kann, um
ihnen Gutes zu tun, ohne sie zu verletzen. Und ich bekleide dich mit mir
selbst, so dass alle, die durch dich in meine Gegenwart zurückgerufen werden,
ja mehr noch, alle, die von derselben Natur sind wie du, zur selben Würde
erhoben werden, um meine königliche Freigebigkeit empfangen zu können.“
Das Echo dieser Worte findet sich später in
Buch 3,18: Vereint mit der „unvorstellbaren Erniedrigung, die den Sohn Gottes
bis zu den Grenzen der Unterwelt führte, sah sie sich gleichsam in den Abgrund
des Fegefeuers versetzt. Sie versenkte sich in ihn, so tief sie konnte und
hörte den Herrn zu ihr sagen: „Beim Empfang des Sakraments werde ich dich so an
mich ziehen, dass du im selben Augenblick alle Seelen mitziehst, die deine
Sehnsucht erreicht, wie der kostbare Duft deiner Kleider.“ Der folgende
Abschnitt übersteigt noch die kühnsten Vorstellungen der Heiligen und stellt
uns vor den unermesslichen Abgrund der göttlichen Zärtlichkeit:
„Beim Empfang des Sakraments drückte
sie die Sehnsucht aus, dass so viele Seelen aus dem Fegefeuer erlöst würden,
wie die Hostie in ihrem Mund in kleine Teilchen zerbrochen würde. Und sie
bemühte sich, die Hostie in möglichst viele Teile zu zerbrechen. Da sagte der
Herr: ‚Du sollst erkennen, dass mein Erbarmen über allen meinen Werken ist.
Niemand kann das Meer meiner Liebe ausschöpfen. Ich bin bereit, dir um den
Preis dieses lebensspendenden Sakramentes eine viel größere Zahl zu gewähren,
als dein Gebet sich auch nur vorstellen kann.“
[1] Das Wort Einverleibung – incorporatio findet sich in den geistlichen Übungen Gertruds: SC 127,72.
[2] Wir nehmen hier einige Ausdrücke aus dem soziologischen Vokabular von E. GOFFMAN auf, die in den früheren Vorträgen erklärt wurden.
[3] Pierre-Maria GY, La liturgie dans l’histoire, Paris 1990, 259.
[4] THOMAS VON AQUIN, Summa theologica 3a, q.80 ,a.4, c.
[5] Vgl. O. QUENARDEL, La Communion Eucharistique dans le Héraut de l’Amour Divin de sainte
Gertrude d’Helfta, 107 – 113.
[6] THOMAS VON AQUIN, a.a.O. 3a, q.79,
a.1, c.
[7] Ebd.
[8] Vgl. O. QUENARDEL, a.a.O. 167 – 203.
[9] Zur apokalyptischen, eschatologischen und surrealistischen Sprache Gertruds und zum Platz, den der Leib in ihrem Werk einnimmt vgl. Maria-Teresa PORCILE, Liturgie CPC, 1990/4, 220-225.
[10] Wir nehmen das Wort im Sinn von H.U. VON BALTHASAR, Die Herrlichkeit und das Kreuz, wie er das Vorwort von Weihnachten kommentiert.
[11] B. PASCAL, Pensée
424, Paris 1962.
[12] SC 255, 303, n.1.
[13] P. DOYERE, „Sainte
Gertrude et les sens spirituels“ in: Revue d’ascétique et mystique 36
(1960) 445f.
[14] Hier ist die Ähnlichkeit zwischen dieser Seite des Gesandten, auf der der Herr verspricht, das Herz Gertruds wie einen „Kanal“ zu benützen, um ohne Maß die Flut seiner Güte auf der Erde auszuteilen, und der Predigt des hl. Bernhard zu Mariä Geburt auffallend. Dort vergleicht er Maria mit einer Wasserleitung, die alle Wasser der göttlichen Gnade auf das Menschengeschlecht ausströmen lässt. (lat.-deutsche Werke des hl. Bernhards VIII, 621 – 647)
[15] P.-M. GY (a.a.O. 259) meint, dass die Deutung von Bonaventura des sacramentum unionis den Inhalt des augustinischen sacramentum unitatis in einem offenbar mehr dionysischen Sinn verdrängt und den Aspekt der Vereinigung mit Christus mehr betont.
[16] In SC 255, 323, Anmerkung 2 steht: „Für die heilige Gertrud – und ebenso für das klassische Latein - hat das Wort meritum eine viel weitere Bedeutung als unser Wort „Verdienst“. Es bedeutet zugleich das Verdienst (Recht, den Titel), was man getan hat, um es zu verdienen (z.B. geleisteter Dienst) und die Folge dieses Verdienstes, d.h. die Belohnung oder Bestrafung. Im Gesandten finden sich Beispiele dieser verschiedenen Bedeutungen.“