Der Weg der
schlichten Gottsucher
Der interreligiöse monastische Dialog setzt auf die friedensstiftende Kraft der
religiösen Erfahrung
DT vom 23.12.2006
Von Abt
Seit dem Zweiten Vatikanischen
Konzil versuchen internationale Einrichtungen von Benediktiner- und
Zisterziensermönchen und -nonnen, den Dialog zwischen monastischen
Gemeinschaften verschiedener Religionen zu fördern. Es gehört zur Ausrichtung
dieser spezifischen Form des interreligiösen Dialogs, dass besonders die
geistlichen Erfahrungen der einzelnen Religionen zum Tragen kommen sollen. An
der Spitze der Kommission DIM (Dialogue Interreligieux Monastique; dt:
Interreligiöser Monastischer Dialog) steht der Abtprimas der Benediktiner,
Notker Wolf OSB. Die Hoffnungen und Erwartungen, die in kontemplativen Klöstern
in diese Arbeit gesetzt werden, beschreibt der folgende, sehr persönliche
Meinungsartikel. Ein Beitrag zur Diskussion.
1974 bat der
Heilige Stuhl den Abtprimas des Benediktinerordens in einem Schreiben des
vatikanischen Staatssekretariats darum, christliche Mönche eine führende Rolle
im interreligiösen Dialog übernehmen zu lassen. Wie kam es zu diesem
unvermittelten Gesuch? Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil und der Verkündung
von Nostra Aetate hatte es mehrere Treffen zwischen Fachleuten für das
Christentum und solchen für die großen religiösen Traditionen Asiens gegeben,
häufig an Universitäten. Ergebnis dieser Begegnungen der Gelehrten waren
interessante Erklärungen und ein besseres gegenseitiges Kennenlernen.
Offenheit für monastisches
Leben in anderen Religionen
Für den interreligiösen Dialog im
eigentlichen Sinn kam jedoch wenig dabei heraus. 1968 fand eine panasiatische
Versammlung von Mönchen und Nonnen in Bangkok statt (dabei kam Thomas Merton
auf tragische Weise ums Leben); 1973 eine weitere in Bangalore. Während dieser
Begegnungen hatten christliche Mönche und Nonnen mit monastisch lebenden
Männern und Frauen der großen religiösen Traditionen Asiens tiefgehende
Gespräche geführt. Institutionen, Philosophien oder Theologie fielen dabei
nicht ins Gewicht. Grundlage des Dialogs war die religiöse Erfahrung. Auf
dieser Ebene war Dialog nicht nur möglich, sondern auch eine gegenseitige
Bereicherung.
In monastischen Kreisen wurde damals
der „Interreligiöse Monastische Dialog“ (DIM) ins Leben gerufen. Ziel dieser
Einrichtung ist es, die christlichen monastischen Kommunitäten für die
religiöse Erfahrung ihrer Mitbrüder und -schwestern in anderen großen
monastischen Traditionen zu sensibilisieren, von denen manche schon tausend
Jahre vor dem christlichen Mönchswesen bestanden. Darüber hinaus soll der
„Interreligiöse Monastische Dialog“ Begegnungen organisieren und ein besseres
gegenseitiges Kennenlernen fördern. So reisten christliche Mönche und Nonnen in
asiatische Klöster, um dort dort eine Weile zu leben und umgekehrt. Johannes
Paul II. empfing häufig asiatische Mönche und Nonnen
und bekundete seine Wertschätzung für ihre religiöse Erfahrung.
Nachdem DIM sein Augenmerk zunächst
auf die großen Traditionen Asiens gerichtet hatte, wandte sich die Gruppe
allmählich auch dem Islam zu. Auch wenn der Islam nie ein organisiertes
Mönchstum gekannt hat, wurde christlichen Mönchen und Nonnen, die mit der
muslimischen Bevölkerung in Berührung kamen oder sich mit den religiösen Traditionen
des Islam auseinandergesetzt hatten, rasch die Bedeutung eines Dialogs mit
ihren muslimischen Nachbarn bewusst. In der religiösen Erfahrung einiger
bedeutender muslimischer Mystiker und Schulen, insbesondere im Sufismus, vor
allem aber in der Frömmigkeit der „einfachen Leute“ fanden sie eine religiöse
Erfahrung, mit der ihnen ein Austausch leicht fiel. Der Dialog mit dem Islam
wurde nicht nur in der arabischen Welt, sondern auch unter der muslimischen
Bevölkerung in Ländern wie den Philippinen und Indien fortgesetzt. Dabei
erwiesen sich engagierte Christen als aufgeklärte und wertvolle
Ansprechpartner, die für ihre treue Verbindung mit den Muslimen zu Märtyrern
wurden – und für die Politiker vor Ort zu Störenfrieden. Der Präsident des
Päpstlichen Rats für den Dialog mit den nichtchristlichen Religionen und seine
Mitarbeiter ermutigten die Christen immer wieder und standen ihnen mit kluger
Beratung zur Seite, ehe die Einrichtung mit dem Päpstlichen Kulturrat
zusammengelegt wurde.
In einer Zeit, in der Nostra Aetate
zunehmend Geschichte wird und diejenigen, die in der Umsetzung der Beschlüsse
ihre Lebensaufgabe gesehen haben, leicht als blauäugig oder nostalgisch gelten,
behält der eigentliche monastische interreligiöse Dialog nicht nur seine
uneingeschränkte Bedeutung. Ihm fällt sogar eine unersetzbare Aufgabe in der
Gegenwart zu, nicht zuletzt, weil er geistliche Erfahrungen vereint.
Die Abschaffung des Päpstlichen Rats
für die nichtchristlichen Religionen als eigenständige Einrichtung und seine
Verschmelzung mit dem Kulturrat kennzeichnet einen bemerkenswerten Kurswechsel
des Lehramts der römischen Kirche mit Blick auf den interreligiösen Dialog.
Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil waren der Rat für den Dialog mit den
nichtchristlichen Religionen und der Kongregation für die Evangelisierung der
Völker stets unterschiedlich ausgerichtet. Die Kongregation für die
Evangelisierung der Völker sah in allen Formen des Dialogs und insbesondere in
dem gemeinsamen Gebet mit Nichtchristen die Gefahr, den Missionsauftrag der
Kirche für alle Völker zu verwässern und die Gefahr des Relativismus.
Gegenwärtig besteht ein Trend zu der Auffassung, dass ein theologischer Dialog
wegen der grundlegend verschiedenen Gottesvorstellungen nicht möglich und
fruchtlos sei und der Dialog im Wesentlichen auf kulturellem Gebiet und für die
Wahrung der Menschenrechte stattfinden soll. Seit einiger Zeit zeichnet sich
eine neue Denkrichtung ab: Der Aufruf, gegenseitig über das Verhältnis von
Glaube und Vernunft nachzudenken. Die jüngsten Ereignisse haben gezeigt, dass
dieser intellektuelle Wettstreit nicht immer ganz leicht ist.
Je tiefer die
Glaubenserfahrung, desto leichter der Dialog
Jenseits der gesellschaftlichen
Beziehungen, der philosophischen und theologischen Denkschulen und sogar der
religiösen Riten gibt es jedoch noch eine andere Ebene des menschlichen
Bewusstseins: die religiöse Erfahrung. In ihr begegnen sich Gläubige aller
religiösen Traditionen der Menschheit mit einer Leichtigkeit, die der Tiefe und
Authentizität ihrer Glaubenserfahrung entspricht. Es gibt nur einen Gott –
unabhängig davon, wie er genannt wird. Wer einmal dem wahren Gott begegnet ist
befindet sich jenseits aller Ideologien in einer inneren Gemeinschaft mit allen
anderen aufrichtigen Gottsuchern. Diese Art von Begegnung, die der
interreligiöse monastischen Dialog – mit unterschiedlichen Ergebnissen –
anstrebt, ist notwendiger denn je, wenn nicht jede Form des Dialogs
verschwinden soll, die den Namen „religiös“ noch verdient.
Für die Anhänger des auf religiöse Erfahrung
ausgerichteten Dialogs ist die Frage, wie vernünftig der Islam ist, letztlich
bedeutungslos. Denn die eigentliche Bedeutung jeder „Vernunft“ ist ganz und gar
relativ, ob sie nun von Aristoteles, Platon, Kant, Descartes, dem Hinduismus,
dem Buddhismus oder dem Islam her gedacht wird. Eine religiöse Erfahrung, die
diese Bezeichnung verdient, ist weder rational noch widerspricht sie der
Vernunft: Sie übersteigt die Vernunft. Gott ist größer und anders als alles,
was wir von ihm erfahren, denken und „spüren“ können. Davon sind alle
kontemplativ lebenden Gläubigen, ob Christen oder Muslime, zutiefst überzeugt.
Auch wenn der Dialog mit dem Islam
derzeit im kulturellen Bereich und für den Schutz der Menschenrechte
eingerichtet werden soll, ist der interreligiöse Dialog auf der Grundlage der
Erfahrung wichtiger denn je. Der Westen neigt dazu, den Islam nur noch in seiner radikalisierten Form, dem Islamismus, wahrzunehmen.
Selbst in den arabischen Ländern und anderen Gegenden, in denen der Islam die
Religion der Mehrheit darstellt, überschattet der Islamismus das Bild des
wahren Islam. Dabei ist die religiöse Dimension des Islamismus ganz und gar
oberflächlich und eigentlich eine politische Reaktion auf eine andere Form des
Radikalismus, die ihren Ursprung im Westen hat. Ein authentischer Dialog auf
der Grundlage der religiösen Erfahrung zwischen Menschen aus unterschiedlichen
Religionen und Kulturen, die in der Begegnung mit Gott den Sinn und das Ziel
ihres Lebens sehen, ist möglicherweise das einzige Mittel gegen die diabolische
Erfindung des so genannten „Kampfes der Kulturen“ zwischen Zivilisationen, in
denen diejenigen, die diesen Kampf ankündigen, zugleich riskieren, ihn zu
entfachen.
Für den christlichen Mönch und den
einfachen muslimischen Bauern in Algerien, in Marokko, auf den Philippinen oder
in Indien, die gemeinsam ihre Gärten bestellen und sich gegenseitig kleine
Dienste leisten und zusammen in der Moschee oder in der Klosterkapelle
verweilen um zu beten, stellt sich die Frage des Verhältnisses von Glauben und
Vernunft nicht. Sie begegnen sich ohne jede Argumentation in der gemeinsamen
Überzeugung, dass Gott groß ist, dass er ein Gott ist und vor allem, dass er
„der Barmherzige“ ist. Das Bewusstsein, dass Gott unendlich barmherzig ist, ist
ein Appell an den Dschjihad, ein Aufruf zum Kampf gegen das, was Christen den
„alten Adam“ nennen und womit sie Bekehrung meinen.
Einfachen Christen und Muslimen, deren
Herz bei der Erwähnung des Namens Gottes bebt, gibt der Geschmack, den sie an
Gott gefunden haben, den gemeinsamen Wunsch nach Frieden und brüderlicher
Gemeinschaft, auch wenn sich Christen und Islamisten im Namen entgegengesetzter
und auch religionsfeindlicher Ideologien gegenseitig umbringen. Sie versuchen
spontan, der verwundeten Welt Barmherzigkeit und Vergebung zu schenken.
Übersetzung aus dem Französischen von Regina Einig
Katholische Zeitung für Politik, Gesellschaft
und Kultur