Teil IV
Das »Goldene Zeitalter« von Cîteaux
Der erste Teil dieser Reihe fragte grundsätzlich nach den Beziehungen zwischen dem Mönchtum und der Kultur, in der es gelebt wird; der zweite Teil behandelte die Anfänge des Mönchtums im Orient und seine »kulturstiftenden« Lebensformen. Im dritten Teil zeigte der Gang durch die Geschichte des abendländischen Mönchtums vor Cîteaux die vielfachen Beziehungen zur kulturellen Entwicklung Europas auf.
Der Aufstieg von Molesme
Das erste Cîteaux, wie es die Schriften charakterisieren, die man allgemein die »Urdokumente« nennt, ist verwurzelt in der Bewegung der pauperes Christi. Ebenso wie Molesme, von wo es ausgegangen war, ist es selbst ein schöner Ausdruck dieser Armutsbewegung.
Die Einsiedler, die sich in Colan gesammelt hatten, waren keine Anachoreten im strengen Sinn. Sie suchten nur einen Lebensstil von größerer Einsamkeit und Einfachheit, als das zeitgenössische Koinobitentum anbot. Sie waren in Colan zusammengekommen, vereint durch die gleichen Bestrebungen und das gleiche Ideal. Als sie sich in der Person Roberts einen Abt gewählt hatten, wurden sie zu einer zönobitischen Kommunität, und Molesme war gegründet.
In diesem Augenblick geschah zweierlei: Erstens entwickelte sich Molesme wegen seines neuen Geistes sehr rasch, allerdings im Kontext des bereits existierenden monastischen Systems, so dass es auch sehr schnell von diesem System absorbiert wurde. Weil die Kommunität von Molesme voll Eifer war, war sie sehr geschätzt, zog viele Kandidaten an, hatte zahlreiche Wohltäter und erhielt viele Schenkungen. So wurde Molesme in kurzer Zeit zu einer großen, blühenden Abtei, mehr oder weniger im selben Stil wie irgendeine andere Abtei der cluniazensischen Tradition. Dies aber entsprach weder dem Willen Roberts und seiner Begleiter, noch der spirituellen Bewegung, aus der sie herkamen.
Zweitens zeigte sich - und das machte den entscheidenden Unterschied aus -, dass Robert ein koinobitischer Abt ersten Ranges war. Das heißt, er wusste seinen Schülern ein Ideal einzuflößen, und er verstand es, sich zurückzunehmen. Selbstlos gelang es ihm, dass zwar nicht die ganze Kommunität, aber doch ein Teil von ihr die ursprünglichen Bestrebungen lebendig bewahren konnte, wenn auch auf eine neue Weise und unabhängig davon, ob er dabei war oder nicht.
Das frühe Cîteaux und der Aufbruch der Gregorianischen Reform
Nachdem so mehrere kleine Gruppen aus Molesme fortgezogen waren, um verschiedene Vorhaben zu verwirklichen, darunter die Gründung von Aulps im Jahre 1097, befand sich in Molesme noch eine kleine Gruppe von Mönchen, die eine einzige Vision und ein einziges Verlangen hatten - und diese Vision, dieses Verlangen hatten sie mit ihrem Abt gemeinsam. Und der Tag kam, da sie aufbrachen und, wie der Text des Exordium Parvum sagt, »fortgingen mit ihrem Abt.«
Dieser kleine Ausdruck ist bedeutungsschwer. Die Gründung von Cîteaux spiegelt tatsächlich eine ganz neue Mentalität. Ihr Vorbild oder Modell sieht sie in der Urgemeinde von Jerusalem. Es handelt sich hier nicht um das Projekt eines Gründers, der seine Jünger um sich schart, wie das bei allen früheren und auch den zeitgenössischen Gründungen der Fall war, sondern um eine Klostergemeinde, eine ecclesia, die sich gemeinsam mit ihrem Abt entscheidet, etwas Neues zu unternehmen. Bezeichnenderweise beginnt das Exordium Parvum mit einem »Wir«: Nos cistercienses, primi huius ecclesiae fundatores. Sie sind sich bewusst, eine ecclesia zu bilden, und das Kleine Exordium verwendet besondere Sorgfalt darauf zu beschreiben, wie sie alle ihre Entscheidungen gemeinsam und einstimmig gefasst haben. So wählen sie auch nach der Rückkehr Roberts nach Molesme ihren nächsten Abt und später die anderen Äbte selbst, während in Cluny jeder der drei ersten Äbte vor seinem Tod seinen Nachfolger ernannt hatte, wie wir oben sahen.
Der Auszug von Molesme nach Cîteaux gehört also eindeutig zu dieser bereits beschriebenen Bewegung von großer spiritueller Lebendigkeit und Frische, die völlig frei dem traditionellen Schema gegenüber stand, ja sogar ein wenig bilderstürmerisch war. Und das, obwohl es sich hier um das Unternehmen reifer Männer handelte, die schon sehr lange ein Mönchsleben führten - Robert war damals 70 Jahre alt! Sie kamen aus einer monastischen Tradition, wo man im allgemeinen sehr jung eintrat - und achteten doch nicht übermäßig empfindsam auf die ordines, die Stände, und ihren eigenen Rang in Kirche und Gesellschaft.
Wenn diese große spirituelle Bewegung - diese Erneuerung des Eremitentums, dieses Streben nach Armut, dieser Traum, wie die Urgemeinde in Jerusalem zu leben, und diese freie Vermischung aller Stände der Gesellschaft auf den gleichen Lebenswegen oder in der gleichen Einsamkeit - die Anfänge der Gregorianischen Reform ausgezeichnet und ihr eine gewisse Frische verliehen hatte, so wandte sich dieselbe Bewegung nun gegen einen anderen Aspekt der Reform, für die der Begriff des ordo, der »Stand« fast zur fixen Idee geworden war.
Die zweite Generation von Cîteaux und der ordo-Gedanke
Zu diesem Zeitpunkt befindet sich die zivile Gesellschaft nämlich im Umbruch, in einer völligen Umwandlung. Es handelt sich um den Übergang von der ersten zur zweiten Epoche des Feudalismus. Einerseits ist ein neues Bürgertum aufgekommen, andererseits wird die Ritterschaft immer bedeutsamer. Jeder ist höchst empfindsam, was den gesellschaftlichen Rang angeht, in den er hineingeboren wurde: man wird geboren als orator oder als bellator oder als laborator. Dies stand im Plane Gottes, und den Rang vor dem Jüngsten Gericht wechseln zu wollen, gilt als Auflehnung gegen den Willen Gottes.
In der Kirche, die sich eben erst aus der Herrschaft des Kaiser befreit und ihre höchste Autorität über die gesamte Gesellschaft behauptet hat, sind die ordines ebenfalls von großer Bedeutung. Es kann nur eine höchste Autorität über das Volk geben; gestern lag sie beim Kaiser, heute beim Papst. Alles in der Kirche wie in der bürgerlichen Gesellschaft untersteht der Herrschaft des Papstes, des summus pontifex. In einem Reformprojekt, das natürlich von politischer wie von geistiger Natur zugleich ist, kann er alle Kräfte und Mittel nach seinem Gutdünken einsetzen.
Das zweite Cîteaux, jenes der jungen Mönche, die nach 1111 eingetreten sind, war nicht mehr das der alten, von Molesme ausgezogenen Asketen, sondern das der jungen Ritter um Bernhard von Fontaines. Es fügte sich leicht in das System der Gregorianischen Reform ein. Diese Neulinge kamen fast alle aus dem Adel und waren als Erwachsene eingetreten, nicht als junge Oblaten, wie im cluniazensischen System. Sie kennen ihren gesellschaftlichen Rang, und für sie ist es klar, dass dieser Rang im Leben nicht geändert werden kann! Bernhard wird es den Domherren in Köln sagen und erklären, dass bei der Auferstehung der Toten einst alle Menschen nach ihrem Rang auferstehen werden: zuerst die Ritter, dann die Bauern, dann die Kaufleute... Und was die Kirche betrifft, so werden die Zisterzienser, im Gefolge Bernhards, die Dreiteilung in drei ordines der Kirche wieder aufgreifen. Danach bestehen drei Ränge: die Prälaten, die Zölibatären und die Eheleute.
Für diese Generation war es ganz selbstverständlich, sich in die Logik der Gregorianischen Reform einzufügen. Es war normal für den Papst, Bernhard wegen seiner Heiligkeit und seiner außergewöhnlichen Begabungen anzurufen, damit er an seinen Vorhaben zur Erneuerung der christlichen Gesellschaft mitarbeite und den zweiten Kreuzzug predige. Dieser war nicht mehr, wie der erste, eine große spontane Bewegung des Volkes, sondern ein Element in einem großen kirchlichen und gesellschaftlichen Projekt. In diesem Zusammenhang wird es ebenso normal, dass mehrere Äbte zu Bischöfen berufen werden - was Bernhard für sich selbst weise ablehnt. Und es wird für Bernhard und andere, weniger bedeutsame Ordensmitglieder auch normal sein, des Ranges wegen, den sie als Äbte oder Mönche in der Gesellschaft innehaben, in kirchlichen, theologischen und politischen Konflikten einzugreifen.
Die Institution der Konversen
Diese Empfindsamkeit für die ordines, die so im Mittelpunkt der Gregorianischen Reform stand, fand auch im Leben der Zisterzienser einen Ausdruck, und zwar sehr früh schon: in der Institution der Laienbrüder. Sie erklärt auch die Haltung der Zisterzienser den Konversen gegenüber, die gleichzeitig schöpferisch und zweideutig war.
In den traditionellen Cluniazenserklöstern kam der größte Teil der Mönche schon sehr jung ins Kloster. Wer sich erst als Erwachsener zum Mönchsleben bekehrte, galt als monachus conversus. Die Kommunitäten cluniazensischer Tradition hatten daher oft eine Gruppe von conversi, die in vielen Fällen zuvor Mitglieder der familia des Klosters gewesen waren und nach und nach in die Klostergemeinde aufgenommen wurden.
In Cîteaux ist die Situation völlig anders. Die Laienbrüder bilden eine eigene, von den Mönchen verschiedene Kommunität. Die ersten Zisterzienser hatten sich entschlossen, auf Zehnten und Grundsteuern zu verzichten und von der Eigenwirtschaft ihres Landgutes zu leben. Doch das brachte Probleme mit sich. Zweifellos war es schwierig, die volle Beobachtung der Regel mit der Arbeit auf den oft ziemlich weit entfernten Ländereien zu verbinden, aber da war noch etwas anderes. Für die Generation der jungen Ritter um den heiligen Bernhard ist die Feldarbeit zur Zeit der Feldbestellung und der Ernte eine Übung der Askese und der Demut, denn das sind Arbeiten, die normalerweise den Rittern und ihresgleichen nicht angemessen ist. Solche Arbeit steht den Bauern zu. Für die Laienbrüder jedoch, die aus dem Bauernstand kamen, ist sie etwas ganz Normales und Gewohntes.
Indem sie Laienbrüder in die Klostergemeinde aufnahmen, erwiesen sich die Zisterzienser als schöpferisch, denn zu einer Zeit, in der das Mönchtum klerikal geworden war - alle Mönche waren Kleriker, auch wenn sie keine Priester waren -, gaben sie damit den Laien wieder eine Möglichkeit, ein klösterliches Leben zu führen. Außerdem besteht zwischen den Mönchen und den Laienbrüdern nicht nur ein Unterschied in den Funktionen: man hatte wirklich zwei Kommunitäten in einer einzigen Gemeinde, zwischen denen sogar eine materielle Trennung bestand. Gewiss, manchmal wurde auch ein Adeliger als Laienbruder aufgenommen, aber das ist in den Chroniken aufgezeichnet und gerade deshalb erwähnt, weil es als ein außerordentlicher Akt der Demut galt. Wäre das allzu oft geschehen, so hätte es die natürliche Ordnung der Gesellschaft gestört! Deswegen musste das Generalkapitel von 1188 es untersagen.
Wir sehen also, dass auf dem Niveau des kirchlichen Lebens das Cîteaux der ersten Generation in einem Strom der Gregorianischen Reformbewegung verwurzelt war, und zwar in der am stärksten charismatisch bestimmten Strömung, während das Cîteaux der zweiten Generation - und mehr noch die darauf folgenden Generationen - sich schnell beschlagnahmen ließ von der stärker an die Institution gebundenen Strömung derselben Gregorianischen Reform.
Veränderungen in Politik und Gesellschaft
Die ungefähr ein Jahrhundert dauernde Periode, in deren Mitte Cîteaux gegründet wurde, das heißt die Zeit von 1050 bis 1150, erlebte tief greifende gesellschaftliche Veränderungen. An erster Stelle handelte es sich um ein großes Anwachsen der Bevölkerung. Selbst wenn man die Ursachen und die Auswirkungen nicht leicht bestimmen kann, läßt sich doch feststellen, dass dieses Bevölkerungswachstum mit einer Mutation der Landwirtschaft einherging: mit der Entwaldung bedeutender Teile Europas, Vermehrung der weitläufigen Ackerfluren, mit neuen, wirksameren Methoden des Ackerbaus, mit Bevölkerungsverschiebungen und einer wachsenden Verstädterung. Als Rückwirkung brachte dies einen Wandel in den Beziehungen zwischen den Ständen in der Gesellschaft. Zugleich entwickelte sich ein wachsender Handel zwischen Stadt und Land, und infolgedessen wurde immer mehr das Geld zum Hauptzahlungsmittel.
Hier zeichnet sich die zweite feudale Epoche ab mitsamt der hohen Bedeutung, die der Ritterstand darin gewinnt. Mehr noch, die grundbesitzenden Herren dieser Epoche, ausgenommen die Großgrundbesitzer, suchen jetzt ihr Einkommen weniger aus den Grundrenten zu gewinnen als aus der unmittelbaren Bewirtschaftung ihrer Ländereien. Den größten Teil ihrer Einkünfte beziehen sie aus ihrer »Domäne«, d.h. aus dem Grundbesitz, den sie mit ihren eigenen Leuten kultivieren, und nicht mehr aus erworbenen Rechten und Abgaben von Ländereien, die von Pächtern bearbeitet werden.
Die wirtschaftliche Option Cîteaux' - eine Falle?
Die Wirtschaft der traditionellen Klöster stützte sich auf Schenkungen von Landbesitz mit allen daran geknüpften Rechten. Die Zisterzienser verließen den Rahmen dieser herrschaftlichen Produktionsweise, indem sie sich weigerten, von Grundrenten und damit von der Arbeite anderer zu leben. Die Ländereien gehörten ihnen, aber sie besaßen Hörige noch Pächter, auch keine Mühlen (die Abgaben eingebracht hätten) noch Einkünfte aus Zehnten. Und sie bewirtschaften ihren Grund und Boden selbst. Radikaler noch als frühere Reformer begründeten sie die Ökonomie ihres Klosters auf der unmittelbaren Nutzung des Bodens - und das war auch die Tendenz bei den weltlichen Grundbesitzern dieser Epoche.
Natürlich brachte dies eine neue Beziehung zur Arbeit mit sich und vor allem eine neue Auffassung vom Gleichgewicht zwischen liturgischem Gebet und Handarbeit. Außerdem waren die Neuankömmlinge, die zum größten Teil aus dem Adel stammten, keineswegs an diese Art von Arbeit gewöhnt, die - wie oben gesagt - normalerweise den Bauern vorbehalten war.
Glücklicherweise hatten sie die Laienbrüder, die sie zwar nicht als Mönche anerkannten - denn sie gehörten zu einem anderen ordo der Gesellschaft -, die aber trotzdem als ihre Brüder galten, so dass sie in aller Wahrheit sagen konnten, sie bewirtschafteten ihre Besitzungen selbst. Unter diesen Laienbrüdern gab es nicht nur ungeschliffene und ungebildete Männer, sondern auch solche, die sehr erfahren waren in der Verwaltung und Bewirtschaftung von Ländereien und in Rechtsverhandlungen. Der Kauf zahlreicher Grundstücke zum Aufbau großer landwirtschaftlicher Betriebe verlangte solche Fähigkeiten.
In dieser Option der Zisterzienser, ihren Grundbesitz selbst zu bewirtschaften, lag aber auch eine Falle: Im Lauf von ein oder zwei Generationen brachte ihre Armut einen großen Reichtum hervor!
Um den ständigen Zustrom zahlreicher Kandidaten fürs Mönchsleben und außerdem auch die Laienbrüder zu ernähren, brauchte man Landbesitz. Große landwirtschaftliche Flächen waren erforderlich wegen der Dreifelderwirtschaft und der Viehzucht, der sich die Zisterzienser ziemlich schnell zuwandten. Diese Flächen dehnten sich aus durch die Rodung von Wald sowie durch den Kauf von bereits kultivierten Böden, häufig verbunden mit einer Umsiedlung der Bevölkerung, um der Klostergemeinschaft die notwendige Einsamkeit zu sichern.
In dieser Epoche geriet die Domänenwirtschaft in eine Art Sackgasse: da die Besitzungen von den Herren unter den Kindern und von diesen wieder unter den eigenen Kindern verteilt worden waren, brachten es die Rechte der Leibeigenschaft mit sich, dass oft mehrere Personen in verschiedener Hinsicht Rechtsansprüche auf die gleiche Parzelle besaßen. Es war bereits üblich geworden, solche Parzellen aufzukaufen, um größeren, zusammenhängenden Landbesitz zu schaffen. Die wirtschaftliche Aktivität der Zisterzienser fügte sich in diese Bewegung ein und leistete auf diesem Gebiet der »Flurbereinigung« mehr als andere. Ihre »Grangien«, die Gutshöfe, die wie Satelliten ihre Abteien umgaben, mehrten sich.
Indem sie nur eigene Leute einsetzten, deren Unterhalt wenig kostete - denn die ganze Klostergemeinde lebte asketisch und nahm nur von Zeit zu Zeit die Hilfe von Lohnarbeitern in Anspruch, was das Generalkapitel bereits 1134 gestattet hatte - entstanden enge Beziehungen zu dem Grund und Boden, den sie bearbeiteten. Sie gewannen den Ort lieb, an dem sie wohnten, und bereiteten zugleich ihren bemerkenswerten wirtschaftlichen Erfolg vor. Denn die Zisterzienser errichteten ihre Abteien und bestellten ihre Felder auf neu gerodetem Land. Schnell ernteten sie mehr Getreide und Wein, als sie zum Leben brauchten. Auf dem ungerodeten Teil ihres Landbesitzes betrieben sie Viehzucht, Holzwirtschaft und Eisengewinnung. Die Kommunität aß kein Fleisch, brauchte kaum Holz zum Heizen und benötigte sehr wenig Wolle und Leder. Aber die Städte blühten rasch auf und boten einen expandierenden Markt. Man hatte also viele Produkte, die man verkaufen konnte, und immer zahlreichere, kauffreudige Kunden. Noch vor dem Ende des 12. Jhdt. wurde der Markt an bestimmten Orten geradezu von Zisterziensermönchen beherrscht, etwa der Wollmarkt in England.
Um nur ein Beispiel anzuführen: Die Mönche von Longpont hatten im Jahre 1145 Weingärten gepflanzt, dreizehn Jahre nach der Gründung ihrer Abtei. Zwei Jahre später begannen sie, sich auf den Straßen, die zu den Einfuhrländern von Wein führten, Zollfreiheit zu erbitten. Sie gründeten einen Weinkeller in der Stadt Noyon; sie richteten alles ein, was den Verkauf ihrer Weinernte erleichtern konnte.
Ausstrahlung in die Gesellschaft
Wie verwendeten sie das Geld? Vor allem brauchte man es für den Bau neuer Klöster. Da diese alle den gleichen Geist großer Einfachheit und freudiger Askese ausstrahlten, sind sie vielleicht das greifbarste geistige Erbe, das die ersten Generationen der Zisterzienser der europäischen Bevölkerung hinterlassen haben. Die Leute aus dem einfachen Volk lasen die Bücher eines heiligen Bernhard, eines Wilhelm von Saint Thierry oder eines Aelred von Rievaulx nicht, aber sie lebten Generationen lang, ja sogar Jahrhunderte hindurch im Schatten der großen Abteien; in der Nähe dieser Kunstwerke, die den geistigen Elan des ersten Cîteaux verkörperten.
Die aus den klösterlichen Archiven stammenden Dokumente heben zwei bedeutsame wirtschaftliche Verhaltensweisen hervor: erstens die enge Verknüpfung der häuslichen Wirtschaft mit der direkten Bewirtschaftung des Grundbesitzes, und zweitens die Gewohnheit, zu kaufen und zu verkaufen, zu leihen, sich manchmal zu verschulden. Ja, es scheint für das 12. Jhdt. charakteristisch, dass die bisherige Wirtschaft, deren hauptsächliche Stütze der Grundbesitz war, sich mehr oder weniger schnell, mehr oder weniger vollständig einfügt in die Geldwirtschaft und in den Handel – eine Bewegung, die genügend rege wird, um den herkömmlichen Kreislauf im Austausch von Gütern und Dienstleistungen empfindlich zu stören.
Anstatt daran Anstoß zu nehmen, ist es besser, genau zu prüfen, was da geschah. Zwischen dem Zisterzienserorden und der Gesellschaft bestand eine sehr komplexe Wechselbeziehung, Einerseits befand man sich in einer Phase der Neustrukturierung der Landwirtschaft; die Neuorganisation des Grundbesitzes hatte bereits begonnen. Ohne sie hätten sich die großen, wirtschaftlich unabhängigen Zisterzienserklöster nicht entwickeln können. (Man kann hier eine Parallele zur Entwicklung der pachomianischen Klöster sehen.) Cîteaux hatte Nutzen gezogen aus der Entwicklung der Techniken des Landbaus und der Viehzucht zu einer Zeit, als die Methoden in einer Reorganisation begriffen waren: die Dreifelderwirtschaft war eingeführt worden, eiserne Pflüge waren an die Stelle der hölzernen getreten, die Erfindung des Hufbeschlags und des harten Joches machten den Einsatz von Pferden rentabler.
Cîteaux profitierte einerseits von diesen verbesserten Bewirtschaftungsmethoden, andererseits entwickelte es diese Techniken auf bewundernswerte Weise fort, dank seiner einsatzbereiten und hoch motivierten Arbeitskräfte. Man denke auch an die Nutzung der Wasserkraft. Die zisterziensische Wirtschaftsweise mit dem System der Grangien stand schnell an der Spitze der landwirtschaftlichen Entwicklung.
Cîteaux trug also zu einer raschen Umgestaltung der ländlichen Welt bei und hatte folglich eine bedeutsame Auswirkung auf die Weiterentwicklung der Gesellschaft und die Beziehungen zwischen deren Klassen. In dem Maß, in dem sich die Landwirtschaft rationalisierte und viele Ländereien von Mönchen aufgekauft wurden, wanderten die Bewohner der Dörfer und der Gemeinden in die Städte ab, die im gleichen Rhythmus anwuchsen. Diese Städte boten nicht nur immer größere Märkte für das Land, einschließlich der Gutshöfe der Mönche, sondern sie veränderten auch die menschlichen Beziehungen. Schon damals galt: »Stadtluft macht frei«. Es entwickelte sich der Stand der Kaufleute, und es wurde immer leichter, wenigstens in der Praxis, von einem Stand der Gesellschaft in einen anderen überzuwechseln. Das so gut aufgebaute und als von göttlichem Recht erachtete Universum der ordines fiel auseinander. Für die einfachen Bauern wurde es immer vorteilhafter, in die Stadt zu ziehen, als Laienbruder im Kloster zu werden. So nahm die Zahl der Laienbrüder ziemlich rasch ab, und es traten keine mehr ein, als die Expansion des Grundbesitzes an ein Ende kam, weil es keine Ländereien mehr zu kaufen gab.
Cîteaux hatte, wie so viele andere monastische Reformen zuvor, aus einer außergewöhnlichen gesellschaftlichen Situation Nutzen gezogen, hatte sich wunderbar darin eingefügt und stark zu deren Aufschwung beigetragen, ist aber dadurch auch selbst von dem gesellschaftlichen Umbruch erfasst worden.
Cluny hatte sich die libertas auf die Fahne geschrieben, hatte das monastische Leben vom Einfluss der weltlichen und kirchlichen Herren befreit – wenn auch um den Preis der Selbständigkeit der einzelnen Klöster – und wurde schließlich zu einem wichtigen Schwungrad in der Feudalgesellschaft. Die neue wirtschaftliche Ordnung, in die Cîteaux sich eingefügt hatte, brachte eine wirtschaftliche Katastrophe für Cluny mit sich. Cîteaux hatte auf die Ausbeutung des Bauernstandes verzichtet und hatte sich entschieden, nicht von der Arbeit anderer zu leben, sondern von der Bewirtschaftung der eigenen Ländereien. Dies führte zu einer kollektiven Bereicherung, die durch die schon begonnene gesellschaftliche Entwicklung ermöglicht wurde, diese aber auch zugleich beschleunigte bis hin zu einem Umsturz der sozialen Ordnung. Dieser wachsende Reichtum, der dem ursprünglichen Geist von Cîteaux so entgegengesetzt war, musste früher oder später zu einem Problem für den monastischen Eifer werden und folglich den Niedergang nach sich ziehen.
Folgerungen
Ziehen wir schon einige Schlüsse. In den Zisterzienserköstern der zweiten und dritten Generation fehlt es gewiss nicht an großen spirituellen Persönlichkeiten, die bewundernswerte Werke geschrieben haben. Diese Schriften haben Generationen von Mönchen geistlich genährt und wurden zweifellos auch außerhalb der Klöster gelesen. Etliche sind uns überliefert worden. Die Klostergemeinschaften verkörperten durch das moralisch hochstehende Leben der Äbte und Mönche hinreichend die großen Linien der Gregorianischen Reform, so dass mehrere Äbte zu Bischöfen ernannt wurden, und zwar nicht aufgrund ihrer familiären Herkunft, sondern gerade wegen der geistlichen Qualität ihres Lebens. Einer von ihnen, der Abt von Tre Fontane, wurde sogar zum Papst gewählt. Bernhard von Clairvaux erklärte sich bereit, den zweiten Kreuzzug zu predigen, der nicht mehr, wie der erste, auf Buße ausgerichtet ist, sondern sich in das Vorhaben einfügt, die Gesellschaft zu verändern, womit sich schon der christliche Reichsgedanke ankündigt.
Daneben werden allerdings die Beziehungen des Ordens zu der großen spirituellen Erneuerungsbewegung im Volk, durch die er entstanden war, immer schwächer. Und doch war diese Bewegung die spirituelle und mystische Seele des Christentums während jener ganzen langen Periode gewesen, in der die Kirche als Schiedsrichterin des gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Lebens gewirkt hatte. Diese Bewegung wird in der Tat später durch die Bettelorden wieder aufgenommen, aber auch – in anderer Weise – von den großen zisterziensischen Mystikern wieder aufgegriffen. Sie gehörten zweifellos mehr zu den alten Asketen des ersten Cîteaux als zu den jungen Rittern der zweiten Generation, auch wenn sie sich zugleich weitgehend an der lyrischen Prosa des Doctor mellifluus tränkten.
Hin zu einer neuen Theologie
Wenn es ein Gebiet gibt, auf dem sich die Zisterzienser geweigert haben, sich von einer neuen Strömung tragen zu lassen, so war es dasjenige der Gedankenwelt, oder vielmehr der theologischen Methode. Die größten und berühmtesten zisterziensischen Lehrer hatten alle bereits vor ihrem Eintritt ins Kloster ihre Ausbildung, oder wenigstens einen Großteil davon, in den Schulen absolviert, und zwar in dem Moment, als die damaligen Schulen sich zu ändern begannen. Mehrere Philosophen und Theologen riefen zu neuen Methoden auf, um ihr Verständnis von der geoffenbarten Wahrheit zu vertiefen. Eine neue Auffassung von Wissenschaft beginnt sich abzuzeichnen; eine neue Beziehung zwischen Vernunft und Glaube tritt zu Tage. In diesem Augenblick geschah etwas recht Bemerkenswertes in der Welt des Mönchtums.
Bis dahin hatten die Mönche in der Kirche eine führende Rolle in der Entfaltung der verschiedenen Zugangswege zur Heiligen Schrift gespielt. Gewiss, ein Bischof predigte seinem Volk nicht in der gleichen Weise wie ein Abt seinen Mönchen. Aber die Auslegung der Heiligen Schrift war im Prinzip für das ganze Volk Gottes die gleiche. Deswegen hatten die Mönche auf diesem Gebiet durch ihre Führung und ihren Einfluss eine so bedeutsame Rolle spielen können. Ebenso galt das für das theologische Denken. Im Lauf der Jahrhunderte konnten die Mönche und das übrige Volk Gottes im Studium der Heiligen Schrift und im Nachsinnen über die Heilsgeheimnisse nacheinander alle Arten philosophischer und kultureller Beiträge integrieren und umformen, angefangen vom Neuplatonismus so vieler Väter bis hin zu den Einflüssen der Stoa, die sich in der gesamten aszetischen Literatur auswirkten.
Als im 12. Jhdt. jene Form theologischen Denkens und Lehrens aufkam, die das ins Leben rief, was später den Namen »Scholastik« erhielt, waren es vor allem die Mönche, und unter ihnen nicht wenige sehr berühmte, die nicht nur von dieser Entwicklung nichts wissen wollten, sondern sie auch selbst bekämpften. Das Ergebnis war, meiner Meinung nach, tragisch: die bis dahin den Mönchen und dem christlichen Volk gemeinsame Art und Weise, Theologie zu treiben, flüchtete sich in die Klöster. In der Folge erhielt sie – zu unserer Zeit – den Namen »monastische Theologie«. In den Schulen aber entwickelte sich eine von der spirituellen Erfahrung losgelöste, »wissenschaftliche« Theologie. Dies gereichte beiden zum größten Schaden. Denn einerseits entwickelte sich die sogenannte monastische Theologie, die nicht mehr von beständiger Inkulturation befruchtet wurde, nach einigen Generationen nicht mehr weiter. Von Zeit zu Zeit kamen ihr wohl einige Mystiker zu Hilfe, vor allem große Mystiker, die sich frei genug fühlten, das von sich abzuschütteln, was zu einem monastischen theologischen System – parallel zum scholastischen – geronnen war. Andererseits vertrocknete die scholastische Theologie immer mehr. Man darf sich wirklich fragen, welche Entwicklung die christliche Theologie hätte nehmen können, wäre es nicht zu dieser unglücklichen Spaltung zwischen Spiritualität und theologischer Reflexion gekommen.